Not macht erfinderisch
Projekte zur Mitarbeitergewinnung und -bindung in unseren Mitgliedskliniken
Die Suche nach wirksamen Strategien für das Recruiting neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zur Bindung des vorhandenen Personals beschäftigt Krankenhäuser und Reha-Kliniken permanent. Im folgenden stellen vier BDPK-Mitgliedskliniken ihre Projekte und Aktivitäten vor.
Christine Strehl, Pflegedienstleitung Waldburg-Zeil Kliniken, Klinik Oberammergau:
„Mit der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung entschied sich auch die Klinik Oberammergau, fortan als praktischer Ausbildungsträger zu fungieren. Hierbei liegt der Fokus des Ausbildungskonzeptes schwerpunktmäßig auf Quereinsteigern. Als rheumatologische Fachklinik mit Akut- und Reha-Bereich ist der Klinik Oberammergau dies glücklicherweise möglich. Die Verantwortlichen konnten sich relativ schnell mit dem Kooperationspartner, der BG Unfallklinik Murnau beziehungsweise deren Krankenpflegeschule, verständigen, sodass auch eine hervorragende theoretische Ausbildung sichergestellt ist. Mit dem Konzept der Ausbildung für Quereinsteiger möchte die Klinik Oberammergau Bestandsmitarbeitern aus anderen Bereichen die Möglichkeit geben, in den Pflegeberuf zu wechseln und sie gleichzeitig ans Haus binden.
Wir bieten pro Jahr zwei Ausbildungsplätze an und rekrutieren unsere Mitarbeiter überwiegend aus den Pflegehelfern der Stationen sowie aus dem Stationsservice. Selbstverständlich kann sich aber jeder Mitarbeiter bewerben, egal in welchem Bereich er bis dato tätig war. Der große Vorteil für uns als Arbeitgeber ist, dass die Mitarbeiter dem Haus gegenüber schon loyal eingestellt sind. Zudem haben sich die Mitarbeiter in der Regel bereits etwas aufgebaut, unter Umständen eine Familie gegründet, und unterliegen so einer gewissen Standorttreue. Diese erhöht für die Klinik signifikant die Wahrscheinlichkeit des Wunsches auf Übernahme nach der Ausbildung. Aufgrund eines eigenen Vergütungskonzeptes ist für die Mitarbeiter der Lebensunterhalt gesichert und die Ausbildung wirtschaftlich möglich. In einem dünn besiedelten Landkreis mit hohem Altersdurchschnitt, zugleich aber zwei Maximalversorgern, erscheint der Klinik Oberammergau dieses Konzept zur Mitarbeiterbindung Erfolg versprechend und zukunftsorientiert.“
Mizrab Akgöz, Asklepios Bildungszentren für Gesundheitsfachberufe, Regionalleitung Bildung Hessen:
„Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung ist ein vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) genanntes wichtiges berufspolitisches Ziel, um individuell flexible Bildungschancen zu ermöglichen und eigene qualifizierte Fachkräfte für die Zukunft auszubilden. Dabei gelten laut BIBB Zusatzqualifikationen als ein flexibles und vielseitiges Instrument zur Steigerung der Attraktivität der Berufsausbildung. Diese Bildungsdurchlässigkeit, von der Pike auf, ist in kaum einem anderen Beruf mehr gegeben als in der Pflege und stellt damit eine wichtige Ressource für Krankenhaus- und Ausbildungsträger zur Gewinnung und Bindung von Auszubildenden und Mitarbeitern für die Pflege dar.
So kann, wer über die für die dreijährige Ausbildung in Vollzeit oder für die familienfreundliche vierjährige Ausbildung in Teilzeit zur/zum Pflegefachfrau/-mann gesetzlich geforderten Voraussetzungen eines mittleren Bildungsabschlusses oder einer fachgebundenen beziehungsweise der Allgemeine Hochschulreife nicht verfügt, beispielsweise am vom Asklepios Bildungszentrum in Bad Wildungen in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule initiierten SPass-Projekt teilnehmen. SPass ermöglicht Schülern bei einer gleichzeitigen Pflegeassistenten-Ausbildung den Hauptschulabschluss, der den Zugang zur einjährigen Krankenpflegehilfeausbildung eröffnet, zu erwerben. Hauptschulabsolventen mit einer erfolgreich absolvierten einjährigen Pflegeausbildung ist der Zugang in die drei- oder vierjährige Ausbildung zur/zum Pflegefachfrau/-mann gegeben. Durch zahlreiche Fort- und Weiterbildungsangebote der häufig eigenen Bildungszentren kann sich die/der Pflegefachfrau/-mann entsprechend den eigenen Interessen und/oder dem Bedarf des Arbeitgebers weiterqualifizieren. Ein aktuell ausgeprägter Bedarf, der sich aus dem neuen Pflegeberufegesetz (PflBG) ergibt, besteht in der Weiterbildung zum/zur Praxisanleiter/-in.
In Kooperation mit Hochschulen bieten inzwischen diverse Bildungszentren für Gesundheitsfachberufe zudem, zur eigenen Attraktivitätssteigerung und parallel zur Ausbildung, den Erwerb eines ersten akademischen Grades, B. Sc, oder B. A, durch einen dualen Studiengang im Bereich Pflege und Gesundheit an. Aufbauend auf dem Bachelorabschluss kann ein Masterstudiengang im Bereich Pflegepädagogik, Pflegemanagement oder Pflegewissenschaft angeschlossen werden.
Krankenhaus- und Ausbildungsträger, die diese Durchlässigkeit der Bildung von der Pike auf sinnvoll nutzen und Bildungsinteressierten individuelle Fördermöglichkeiten unterbreiten und damit gleichzeitig individuelle Bildungschancen eröffnen, steigern die eigene Anziehungskraft und können so, über die Durchlässigkeit des eigenen Bildungsangebots, nicht nur neue Auszubildende, sondern langfristig auch, dem eigenen Bedarf entsprechend, qualifizierte neue Mitarbeiter gewinnen.“
Rafaela Kedzierski, Pflegedienstleitung am MediClin Herzzentrum, Lahr/Baden:
„Wir sind eine Spezialklinik mit 75 Betten. Seit circa zehn Jahren bilden wir neben den OTAs auch in der Gesundheits- und Krankenpflege aus, stets mit dem Ziel, unsere Auszubildenden nach dem Examen zu übernehmen. Deshalb ist schon die Auswahl der Schüler wichtig. Für uns spielt dabei neben der Eignung auch das Interesse an unserem Fachgebiet eine wichtige Rolle. Alle zukünftigen Auszubildenden kennen die Ausbildungsstationen durch eine Hospitation. Meist haben sie ein FSJ oder Berufsorientierungspraktikum bei uns durchgeführt. Zur Gewinnung von Auszubildenden setzen wir auf eine enge Kooperation mit den umliegenden Schulen. Wir engagieren uns als Bildungspartner für die berufliche Orientierung an einer Schule mit dem Profilfach Pflege, nehmen an Berufsinformationstagen teil und gestalten Betriebserkundungen für alle Schulformen. Zu jedem Zeitpunkt zeigen wir berufliche Perspektiven durch Fort- und Weiterbildung auf. Während der Ausbildung setzen wir auf eine persönliche und individuelle Unterstützung der Schüler, zum Beispiel mit zusätzlicher Prüfungsvorbereitung in Theorie und Praxis. Die Schüler werden als Lernende und potenzielle neue Mitarbeiter wahrgenommen. Da sie einen Großteil der Ausbildung in anderen Häusern absolvieren, ist für uns die Mitarbeiterbindung wichtig. Die Schüler werden zu Feiern eingeladen und nehmen am jährlichen Mitarbeitergespräch teil. Vom Praktikum über die Ausbildung und nach dem Examen unterstützt unser Team kontinuierlich die fachliche Entwicklung. Zusätzlich wird der Prozess von der Personalreferentin begleitet.“
Oliver Kort, Pflegedienstleitung Johannesbad Fachklinik Bad Füssing:
„Es gelingt in Deutschland nicht, genügend inländische Schüler und Umschüler für den Pflegeberuf zu begeistern. Diesen Pflegekräftemangel kennen wir auch in der Johannesbad Fachklinik im niederbayerischen Bad Füssing bestens. Die Klinik verfügt über rund 500 Betten und führt Rehabilitations-, Anschluss- heil- und Akutbehandlungen durch. Zur Klinik zählen Abteilungen für Orthopädie, Urologie, Psychosomatik sowie ein Rücken- und Schmerzzentrum.
In unserer Fachklinik konkretisierten wir Anfang 2018 den Plan, Mitarbeiter aus der Ukraine als neue Kollegen zu gewinnen. Der Kontakt erfolgte über einen Personalvermittler mit Erfahrung in der Akquise ukrainischer Fachkräfte. Ende 2018 hatten wir schließlich alle Auflagen erfüllt und konnten fünf potenzielle ukrainische Pflegekräfte in Bad Füssing ein erstes Mal treffen. Im Februar 2020 die härtesten Aufgaben: Wir mussten Visa und fachliche Anerkennungen besorgen, was sich aufgrund des ersten Lockdowns sowie fehlender und falscher Dokumente stark verzögerte. Hier führten Gespräche mit Entscheidern und Onlineunterricht zum Er- folg. Die Einreise war gesichert. Nach Ankunft in Bad Füssing absolvierten unsere Kollegen aus der Ukraine von uns angebotene Sprachkurse im Wechsel mit gezielten Praxiseinsätzen in der Klinik. Zudem beschafften wir Wohnungen, was im ländlich geprägten Bad Füssing gut machbar war. Mittler- weile haben vier Kandidaten den Vorbereitungskurs zur Kenntnisprüfung mit großem Erfolg absolviert. Sie arbeiten seit Anfang Dezember 2020 als vollständig anerkannte Pflegefachkräfte in unserer Klinik.“