Verbindliche Entscheidungen
Mehr Offenheit und Mitwirkung
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) soll „konsensuale Regelungen“ für die Grundfragen der Rechtsauslegung schaffen. Das dazu von der DRV eingeleitete Stellungnahmeverfahren zeigt: Eine echte Beteiligung findet nicht statt und die DRV will einige problematische Maßnahmen treffen.
Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation sowie zur Modernisierung der Sozialversicherungswahlen“ (Gesetz Digitale Rentenübersicht) erhielt die DRV Bund im Februar 2021 den Auftrag, bis zum 30. Juni 2023 „Verbindliche Entscheidungen“ zu den Zulassungsanforderungen für medizinische Rehabilitationseinrichtungen, zum Vergütungs- und Belegungssystem und zur Veröffentlichung der Qualitätsdaten zu treffen. Die Leistungserbringerverbände und die Betroffenenverbände sollten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Diese Stellungnahmen sind bei der Beschlussfassung durch eine geeignete Organisationsform mit dem Ziel einzubeziehen, eine konsensuale Regelung zu erreichen, so legt es § 15 Abs. 9 SGB VI fest.
Zur Umsetzung dieser Einbeziehung hat die DRV Bund ein Beratergremium aus Vertreter:innen von Leistungserbringer- und Betroffenenverbänden und Vertretern der DRV eingerichtet, die seit Sommer 2021 Regelungen der Verbindlichen Entscheidungen beraten.
Unzumutbares Unterfangen
Im Ergebnis hat die DRV Bund inzwischen einen ersten Ent- wurf der Verbindlichen Entscheidungen erstellt und die Verbände zur Abgabe einer ersten abgestimmten Stellungnahme aufgefordert. Ein zweites Stellungnahmeverfahren ist für Herbst 2022 geplant. Doch das von der DRV eingeleitete Stellungnahmeverfahren erweist sich im Vorgehen als ein unzumutbares Unterfangen: Die insgesamt zehn Leistungserbringer- und Betroffenenverbände sollten sich innerhalb von vier Wochen über die Osterfeiertage abstimmen und äußern, was kaum realisierbar war. Setzt doch die Abgabe einer abgestimmten Stellungnahme eine umfassende juristische Bewertung der Regelungen voraus. Auch eine Verlängerung der Frist zumindest um eine Woche wurde durch die DRV Bund abgelehnt, sodass ein kooperatives Zusammenwirken aller beteiligten Akteure nicht realisierbar war.
Inhalt kritisch und nicht transparent
Zudem enthält der vorgelegte Entwurf der Verbindlichen Ent- scheidungen eine Vielzahl kritischer Regelungen und wesentliche Inhalte bleiben intransparent. So wird unter anderem auf Dokumente verwiesen, die von der DRV Bund im Alleingang erstellt werden und damit die Mitbestimmung sowie das Mitspracherecht der Leistungserbringer- und Betroffenenverbänden ad absurdum führen. Wenn wichtige Vorgaben für die Leistungserbringung jederzeit einseitig von der DRV Bund geändert werden können, sind Konflikte aufgrund fehlender Transparenz vorprogrammiert. Die Absicht des Gesetzgebers, die „Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation zu verbessern“, wird damit konterkariert. Ferner kalkuliert die Preisgestaltung der DRV Bund die Preise für das Vergütungssystem nicht anhand der Leistungsvorgaben, sondern basierend auf den bestehenden Marktpreisen. Allerdings werden die aktuell geltenden Vergütungssätze von den Reha-Einrichtungen seit Jahren als nicht leistungsgerecht kritisiert. Die Leistungserbringerverbände kalkulieren deshalb derzeit die Preise anhand der Leistungsvorgaben, um im Rahmen der Entwicklung des Vergütungssystems den Unterschied zwischen Marktpreisen und leistungsorientierten Preisen transparent zu machen. Eine klare Wettbewerbsverzerrung manifestiert sich mit der Auslegung des Belegungssystems. Es soll zwar anhand objektiver Kriterien erfolgen, schlägt den Versicherten aber immer zwei DRV-eigene und zwei Vertragsein-richtungen vor, selbst wenn dies nicht den objektiven Kriterien entspricht.
Der BDPK hat seine Kritik an dem Verfahren in einer ausführlichen Stellungnahme zusammengefasst, die auf der BDPK-Hompage veröffentlicht wurde (www.bdpk.de). Nach dem zweiten Stellungnahmeverfahren im Herbst 2022 trifft der Bundesvorstand der DRV Bund seinen finalen Beschluss über die Verbindlichen Entscheidungen. Inwiefern diese konsensual getroffen werden, wird sich im Laufe des Prozesses zeigen.