Reha-Innovationen

KI-gestützte Sturz-Prävention

In unserer Beitragsreihe über fortschrittliche Anwendungen in der medizinischen Reha berichtet MEDICLIN über den erfolgreichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Sturzprävention im MEDICLIN Waldkrankenhaus Bad Düben.

Das MEDICLIN Waldkrankenhaus Bad Düben in Sachsen ist eine Spezialklinik für Orthopädie, die unter anderem über einen Fachbereich für Geriatrie und Alterstraumatologie verfügt. Hier werden mit interdisziplinären Behandlungskonzepten ältere Patient:innen versorgt. In dieser Patientengruppe besteht ein deutlich erhöhtes Sturzrisiko – insbesondere bei Patient:innen, die an Demenz leiden. Nach Operationen, beispielsweise an Hüfte oder Knie, ist für die Patient:innen häufig zunächst eine eingeschränkte Bewegung erforderlich. Aufgrund dementieller Veränderungen zeigen viele von ihnen jedoch einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Dies kann insbesondere dann zu Stürzen führen, wenn sich gerade kein Pflegepersonal im Zimmer befindet.

Um Unfällen vorzubeugen und die Reaktionszeit des Pflegepersonals bei tatsächlichen Stürzen deutlich zu verringern, setzt das MEDICLIN Waldkrankenhaus Bad Düben seit 2024 moderne KI-gestützte Sensoren in der geriatrischen Pflege ein. Es handelt sich um Raumsensoren, die als digitale Assistenz für die Pflege fungieren und Künstliche Intelligenz nutzen. 30 Räume der Klinik wurden mit magnetischen Metallhalterungen an der Zimmerdecke ausgestattet und zehn Raumsensoren sind momentan im Einsatz. Sie können in allen mit Halterungen ausgestatteten Räumen variabel eingesetzt werden. Außerdem lassen sich die Sensoren so konfigurieren, dass sie zur Situation der einzelnen Patient:innen passen. Eine tatsächliche Sturz-Situation registriert und meldet die Technik in jedem Fall. Die Sensoren melden den Sturz per Weiterleitung eines Alarms auf das Stationstelefon, per App auf das Smartphone oder auf den Stations-PC. Eine Integration in das klinikeigene Rufsystem ist problemlos möglich.

Lernendes System

Je nach Bedarf und Voreinstellung reagieren die Sensoren aber auch bereits beim Aufsitzen auf der Bettkante oder beim Verlassen des Raums, etwa in Richtung Badezimmer. Das Aufsitzen kann ein Hinweis darauf sein, dass demenziell erkrankte Patient:innen versuchen aufzustehen, obwohl sie körperlich dazu nicht in der Lage sind. In solchen Fällen besteht ein besonders hohes Risiko für Stürze.

Beim Einsatz der KI-Technik kann es anfangs zu Fehlalarmen kommen,doch das System ist lernfähig: Fehlalarme werden direkt an den Hersteller gemeldet, wo sie analysiert werden. Die KI wird entsprechend trainiert. In einer viermonatigenTestphase lösten die Sensoren im Waldkrankenhaus Bad Düben 357 Mal einen Alarm aus und hatten eine sehr hohe Treffsicherheit. Fehlalarme gab es dabei nur wenige.

Die Sensorstation sieht dezent und unauffällig aus, wodurch sich  Patient:innen weder beobachtet noch überwacht fühlen. Das ist auch tatsächlich nicht der Fall: Die Räume werden nicht videoüberwacht. Dies wäre datenschutzrechtlich auch gar nicht zulässig. Mittels Radar-Technologie registriert das System lediglich Bewegungsmuster, auch bei Dunkelheit. Im Sturzprotokoll werden zur Analyse ausschließlich Bilddaten zur Verfügung gestellt, die die Position der Patient:innen erkennen lassen und nicht die Person selbst. Die Sensor-Werte werden mit sicherer Verschlüsselungstechnologie übertragen.

Zusatzfunktionen möglich

Auch auf einen verbalen Hilferuf, der in einer gewissen Dringlichkeit hervorgebracht wird, reagieren die Sensoren  alarmieren das Pflegepersonal. Diese Zusatzfunktion der Hilferuferkennung empfinden die Pflegekräfte des Waldkrankenhauses als sehr hilfreich, denn in bestimmten Notsituationen kann es für Betroffene sehr schwierig sein, einen Notruf per Notrufknopf auszulösen. Allein in der viermonatigen Testphase registrierten die Sensoren 20 Hilferufe. Eine Pflegekraft war dann jeweils sofort zur Stelle und konnte rechtzeitig unterstützen.

Die Nutzung weiterer Zusatzfunktionen ist ebenfalls möglich. Beispielsweise die Einbindung von Continuous Glucose Monitoring (CGM)-Sensoren zur kontinuierlichen Blutzuckermessung. Die Werte werden automatisch in die Dokumentation übertragen, um das Pflegepersonal bei kritischen Werten sofort zu alarmieren. Auch Temperatur und Luftqualität in den Patientenzimmern können durch die Sensoren überprüft werden. Sie reagieren bei starken Luftwertveränderungen und lösen dann einen Alarm aus.

Vorteile für alle

Der Mehrwert der neuen Technik für Patient:innen und Klinik liegt klar auf der Hand: mehr Sicherheit und weniger Rückverlegungen aufgrund von Verletzungen. Gleichzeitig werden die Pflegekräfte von ihren Kontrolltätigkeiten entlastet, wodurch mehr Zeit für die direkte Pflege der Patient:innen zur Verfügung steht. Zusätzlich verringert sich der Dokumentationsaufwand – weniger Stürze bedeuten auch weniger Dokumentationstätigkeiten.