Kolumne Thomas Bublitz
Reform im Blindflug
Nach langer Zeit des Spekulierens und Bangens ist die Entscheidung gefallen: Der Bundesrat hat am 22. November die Anrufung des Vermittlungsausschusses denk- bar knapp abgelehnt. Damit tritt das KHVVG ohne Korrekturen zum 1. Januar 2025 in Kraft! Das Drama um die Abstimmung hat einen Scherbenhaufen hinterlassen, der eng mit der Person des Gesundheitsministers verbunden ist. Für die Durchsetzung der Reform war ihm nahezu jedes Mittel recht.
Die massive Verunsicherung der Bevölkerung durch die Behauptungen, dass ohne seine Reform viele Menschen sterben würden, dass nur, wer Lauterbach persönlich am Wochenende nach einer Klinikempfehlung fragen könne, Aussicht auf eine gute Behandlung ha be (der Blick in seinen Klinikatlas hilft schließlich nicht weiter), und das Ende der regelhaft schlechten und dilettantischen Gelegenheitsversorgung in fast allen unseren Krankenhäusern seien beispielhaft genannt. Dazu die Versprechung, dass wir mit dem KHVVG bald genauso alt werden wie unsere europäischen Nachbarn. Oben er, der Allwissende, unten all die anderen Unwissenden, mit denen eine inhaltliche Diskussion nicht lohnt. Dazu eine Portion Doppelzüngigkeit: Minister Lauterbach verspricht die Entökonomisierung der Krankenhäuser (was ist das eigentlich?) und verursacht gleichzeitig ihre schwierigste wirtschaftliche Lage. Er verantwortet in seiner Amtszeit den fehlenden Inflationsausgleich bei der Betriebskostenfinanzierung durch bewusstes Nichtstun. Er hat die ökonomische Not der Kliniken sogar verstärkt, indem er wissentlich den Ausgleichsmechanismus beim Landesbasisfallwert für sinkende Fallzahlen, die seit der Coronapandemie Realität sind, gestrichen hat. Damit hat er die Kliniken nahe an den wirtschaftlichen Ab- grund geschoben. Infolgedessen verzeichnen wir einen Höchststand an Krankenhausinsolvenzen, was auch durch das KHVVG nicht gestoppt werden wird.
Richtig am KHVVG ist, dass wir mehr Spezialisierung unter den Krankenhäusern brauchen. Die läuft in vielen Regionen auf Hochtouren, Kliniken wirken dabei konstruktiv mit. Ich habe meine Zweifel, ob die künftige Krankenhausversorgung durch zentralstaatlich vorgegebene Qualitätskriterien in allen Teilen der Republik steuerbar ist. Wir werden spätestens zum Januar 2027 in einigen Regionen an den Punkt kommen, an dem es um die Entscheidung geht, ob es ein Versorgungsangebot nach Lauterbachs Vorstellungen gibt oder gar keins, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Das werden zuerst Menschen in ländlichen Regionen spüren. Für mich bleibt die Hoffnung auf eine neue und gesprächsbereite Person im Amt des Gesundheitsministers in der neuen Legislaturperiode. Sie wird manche Fehlentwicklung aus Lauterbachs Amtszeit im KHVVG korrigieren müssen.