Krankenhausreform – Analysen und Bewertungen
Sorgfalt statt Rasenmäher
Wie sähe die deutsche Krankenhauslandschaft aus, würden die Pläne der Reformkommission unverändert umgesetzt? Um genau das darstellen zu können, haben sowohl die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) als auch der BDPK unabhängig voneinander eine Auswirkungsanalyse erstellen lassen. Beide Analysen zeigen, dass die Auswirkungen bei einer 1:1-Umsetzung der Reform gravierend wären: mindestens ein Drittel der deutschen Krankenhäuser müssten schließen. Allerdings ist die Anzahl von Krankenhäusern, ob aktuell oder zukünftig, kein alleiniges Kriterium für eine sinnvolle Krankenhausreform. Das lässt sich viel eher an den Indikatoren für eine verbesserte und wirtschaftliche Patientenversorgung ablesen:
- Verbesserung der medizinischen Behandlungsqualität
- Niedrigschwelliger Zugang zur stationären Versorgung möglichst wohnortnah und möglichst ohne Wartezeiten
- Abbau der Sektorengrenzen in Form einer verbesserten Durchlässigkeit zwischen fachärztlicher und stationärer Versorgung sowie die Aufweichung der starren Vorgaben für die stationäre Versorgung (wie untere Grenzverweildauer, AOP, Tagesklinische Versorgung)
- Verbesserung der Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit durch Bürokratieabbau
- Beseitigung des Fachkräftemangels
Nur auf dieser Basis bewerten wir im Folgenden die Vorschläge der Reformkommission.
Krankenhaus-Versorgungsstufen / Level
Die vorgesehene bundeseinheitliche und zentralistische Zuordnung von Krankenhäusern zu einzelnen Versorgungs-Leveln mit der fixen Zuordnung von bestimmten Leistungsgruppen führt zu einer schematischen Verlagerung und der Schließung von stationären Leistungsangeboten. In ihrer jetzigen Form umgesetzt würden die Vorschläge der Reformkommission dazu führen, dass rund ein Drittel aller Krankenhäuser zu sogenannten Level Ii Einrichtungen umgewandelt würden. Diese Einrichtungen sollen nach Vorstellung der Reformkommission über keine zwingende ärztliche Leitung und Präsenz verfügen und ihnen sind keine Leistungsgruppen der stationären Versorgung zugeordnet. Das bedeutet faktisch ihr Aus. Die Folge dieser „Rasenmähermethode“ wären sehr wahrscheinlich Versorgungsprobleme vor allem im ländlichen Raum. Es besteht die Gefahr von Leistungsrationierung und Wartelisten, weil zeitgleich neue Versorgungskapazitäten (Räumlichkeiten und Personal) an den verbleibenden Standorten bereitstehen müssten. Die von der Regierungskommission getroffenen inhaltlichen Definitionen der Versorgungslevel müssen inhaltlich bewertet, diskutiert und angepasst werden. Geeignete Grundlage dafür sind aus BDPK-Sicht die Reformvorschläge der DKG. Denn eine alleinige Fokussierung auf die Schaffung von großen zentralen Krankenhäusern führt per se nicht zu einer verbesserten Qualität in der Patientenversorgung. Deshalb kann die zentralistische Vorgehensweise keine Zustimmung finden. Zudem fehlt die wirtschaftliche Bewertung der durch den Umbau entstehenden Kosten. Um Krankenhausstrukturen im Sinne des Berichtes der Regierungskommission zu verändern, Standorte zu schließen, umzubauen oder zu verlagern, sind erhebliche Investitionsmittel notwendig. Dazu müssten nach Experteneinschätzung rund 80 Mrd. Euro bereitstehen.
Weiter ist zu betonen, dass die Krankenhausplanungskompetenz der Länder durch die zentrale und bundeseinheitliche Definition von Krankenhaus-Leveln nicht beschränkt oder präjudiziert werden darf. Nur die Länder können die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen.
Wenig Berücksichtigung finden die Fachkliniken. Diese liefern eine hohe medizinische Qualität und sind unverzichtbarer Bestandteil einer guten Versorgung. Eine Verlagerung an Level II oder Level III Krankenhäuser macht inhaltlich und wirtschaftlich keinen Sinn, da dies die Patientenversorgung nicht verbessern würde.
Leistungsgruppen
Leistungsgruppen sind ein guter Vorschlag der Regierungskommission, allerdings muss hier das Prinzip lauten „Wer kann, der darf“, unabhängig vom Krankenhauslevel. Eine Beschränkung auf Level lehnen die privaten Krankenhausträger ab. Dadurch entstünden Versorgungsmonopole und -Engpässe, die bei begrenzten Kapazitäten (räumlich und personell) zu Wartelistenmedizin und Versorgungsengpässen führen würden. Diese Vorgehensweise würde alternative Versorgungsangebote vernichten und Patient:innen die freie Wahl zwischen mehreren Krankenhäusern nehmen. Diese sowie Qualitätstransparenz und Qualitätswettbewerb müssen erhalten bleiben.
Vergütung von Vorhaltung
Durch Vorhaltefinanzierung soll der Mengenbezug in der Krankenhausvergütung reduziert werden. Die Einführung von Vorhaltefinanzierung ist eine gute und sinnvolle Erweiterung des DRG-Systems, wird aber die Krankenhäuser nicht aus den ökonomischen Zwängen befreien. Denn sie müssen den nicht aus der Vorhaltepauschale getragenen Kostenblock von 60 bzw. 40 % weiterhin durch behandelte Patienten finanzieren. Deshalb sollten Alternativen diskutiert werden:
Variante 1: Volle Finanzierung der Betriebs- und Investitionskosten von (ländlichen, kleinen) Krankenhäusern des Levels I n über eine Vorhaltepauschale. Ein solches Vorgehen entspricht dem Prinzip des Sicherstellungszuschlags. Bewirkt würde, dass diese Krankenhäuser Patienten nicht zwingend behandeln müssen, um sich finanzieren zu können. Sie können die Patienten nach einer notfallmäßigen Erstversorgung an ein Krankenhaus des nächsthöheren Levels weiterleiten, ohne dabei einen wirtschaftlichen Verlust hinnehmen zu müssen.
Variante 2: Volle Finanzierung der Betriebs- und Investitionskosten von bedarfsnotwendigen Versorgungseinheiten, die die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten. Dies könnten zum Beispiel die Notaufnahme, die Notfallambulanz, die Geburtshilfeabteilung und die Intensivstation sein.
Insoweit könnte auch die komplizierte Vereinbarung von Pflegebudgets entfallen.
Was fehlt
Was im Entwurf der Regierungskommission fehlt ist das Thema ambulante Öffnung für ambulante fachärztliche Versorgung, die dringend bei der Umsetzung der Reformpläne berücksichtigt werden sollte, genauso wie die seit langem vom BDPK geforderte Streichung des Fixkostendegressionsabschlags (FDA). Weiterer Bestandteil der Reform sollte unbedingt das Thema Bürokratieabbau sei. Zum Blick auf das Gesamtsystem gehört nicht zuletzt auch die besondere Berücksichtigung wichtiger Versorgungsformen, wie gemischte Einrichtungen von Akut- und Reha-Kliniken sowie von Reha- und Vorsorgeeinrichtungen und Beleghäusern.