Krankenkassen erschweren Versicherten immer noch den Zugang zur Reha
Medizinische Rehabilitationsleistungen sind Antragsleistungen. Die Krankenkassen lehnen knapp 30% der Anträge auf eine medizinische Rehabilitation, die von einem niedergelassenen Arzt verordnet werden, ab. Zweidrittel der Widersprüche gegen eine Ablehnung sind erfolgreich und die Versicherten erhalten die beantragte Leistung. Das ist offensichtlich der Grund, warum einige Krankenkassen mit internen Arbeitsanweisungen an ihre Mitarbeiter:innen aktiv versuchen, Widerspruchsverfahren zu minimieren.
Mit irreführenden Schreiben und Anrufen werden Versicherte davon abgebracht, ihren Anspruch auf Reha durchzusetzen bzw. ihren Widerspruch bei Nichtbewilligung zurückzunehmen. Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) hat diese Praktiken in seinem Tätigkeitsbericht 2017 schon festgestellt und nun nochmals in 2022. Es wurden Arbeitsanweisungen oder telefonische Kontaktaufnahmen der Krankenkassen mit ihren Versicherten beanstandet, die die Rücknahme des Widerspruchs zum Ziel hatten bzw. die Ablehnung des Widerspruchs suggerierten.
Zudem hat das BAS feststellen müssen, dass einige Krankenkassen ihre Ablehnungsbescheide nicht nur unzureichend begründen, sondern auch vermehrt von einer rechtlich zwingenden schriftlichen Rechtsmittelbelehrung absehen. Um Widerspruchsverfahren gänzlich zu vermeiden, fordern Krankenkassen sehr häufig ihre Versicherten auf, ihre Anträge zurückzunehmen. Schließlich arbeitete auch die IGES Studie im Auftrage des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigten für Pflege aus dem Juni 2017 heraus, dass die Krankenkassen nach Einschätzung der Patientenorganisationen ihre Entscheidungen über die Leistungsanträge der Versicherten nicht immer ausreichend begründeten. Besonders älteren Menschen, Schwerbehinderten, chronisch Kranken und „bildungsbenachteiligten Personen“ würden Leistungen durch die Kassen verweigert. Die Ablehnungsbescheide für die Versicherten waren vielfach nicht mehr verständlich. Dies bestätigte auch eine Befragung der Versicherten im Rahmen der IGES Studie, nach der sich die von einer Leistungsablehnung betroffenen Versicherten mehrheitlich nicht ausreichend über die Gründe der Leistungsablehnung informiert fühlten.
Im Einvernehmen mit den Krankenkassen hat das BAS laut Tätigkeitsbericht 2022 erreicht, dass das Beratungsersuchen vom Versicherten ausgehen soll, also die Krankenkassen nicht aktiv auf Versicherte zugehen dürfen. Ob das die Lösung des Problems ist, bezweifeln wir. Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, dass Rehabilitationsmaßnahmen, die von den behandelnden Ärzten verordnet werden, ein Genehmigungsverfahren bei den Krankenkassen durchlaufen müssen. Vielmehr sollte die ärztliche Verordnung ausschlaggebend für die Leistung sein und das gesetzlich vorgesehene Genehmigungsverfahren abgeschafft werden.
Pflicht zur Beratung beim Wunsch- und Wahlrecht
Der Tätigkeitsbericht 2022 des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) schreibt auch vor, dass Krankenkassen ihrer Pflicht zur Beratung zum Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten nachkommen und über die Anschlussversorgung nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden müssen. Dabei sind das Wirtschaftlichkeitsgebot und wettbewerbsrechtliche Kriterien zwingend zu berücksichtigen. Das kann insbesondere bei digitalen Portalen nur dann gelingen, wenn alle Leistungserbringer gleichberechtigt den Versicherten zur Auswahl gestellt werden. Die AOK hatte ein solches digitales Suchportal einrichten wollen. Der BDPK hatte mit seinen Landesverbänden die Entwicklung der Plattform kritisch begleitet und erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausgestaltung, insbesondere auch bzgl. der korrekten Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechts geäußert. Offensichtlich teilte das BAS unsere Einschätzung, denn das Portal wurde kurz vor der Inbetriebnahme eingestellt.
Reha-Antragsverfahren bei der DRV beschleunigt
Immer mehr Versicherte, Rentnerinnen und Rentner legen beim BAS Beschwerde zum Renten- und Rehabilitationsrecht und internationalen Sozialversicherungsrecht ein. Die Zahl der Eingaben stieg 2022 im Vergleich zum Vorjahr.
Das Tätigwerden des BAS trägt vielfach dazu bei, dass viele Antragsverfahren zur Gewährung einer medizinischen Rehabilitation beschleunigt werden konnten. Soweit Versicherte den Wunsch einer Klinikumstellung gegenüber dem BAS äußerten, konnte durch die Kontaktaufnahme mit den Versicherungsträgern oftmals eine zeitnahe Klinikumstellung erreicht werden. Auch hier ist es Aufgabe der Versicherungsträger zeitnah Entscheidungen für alle betroffenen Versicherten zu treffen.
Versicherte können über den folgenden Link direkt beim Bundesamt für Soziale Sicherung Eingaben zu Verhaltensweisen der Rehabilitationsträger (GKV, DRV, DGUV) abgeben: https://www.bundesamtsozialesicherung.de/de/service/beschwerde-ueber-einen-sv-traeger/beschwerdeformular/
Aufsichtsbehörde rügt Fehlverhalten gegenüber den Einrichtungen
Das Bundesamt für Soziale Sicherung hat vielfach auch das Fehlverhalten der Kostenträger gegenüber den Reha- und Vorsorgeeinrichtungen geprüft und bemängelt. Dabei ging es unter anderem um das Wunsch- und Wahlrecht, Fahrkosten, Kliniklisten und Kooperationsvereinbarungen. Hier eine beispielhafte Zusammenstellung der Beanstandungen.
Weitere Informationen
Bastian Liebsch, Vorstand Kommunikation, Dr. Becker Unternehmensgruppe hat im Sommer 2023 auf LinkedIn das Vorgehen der Krankenkassen ebenfalls scharf kritisiert.