Faktenblatt zur wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser - FAQ der DKG

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens eines Vorschaltgesetzes zur Krankenhausreform ein Papier mit Fakten zur aktuellen wirtschaftlichen Lage der deutschen Krankenhäuser erstellt. 

Inwieweit wirken sich die Corona Hilfen, die Politik spricht immer von 22 Milliarden €, für die Krankenhäuser noch heute aus und konnten die Krankenhäuser aus diesen Hilfen Rücklagen bilden, die sie jetzt noch verwenden können?

Die Corona-Hilfen waren aufgrund der besonderen Maßnahmen im Rahmen der Pandemie notwendig (insbesondere Verschiebung planbarer Behandlungen, Freihaltung und Schaffung von Intensivkapazitäten, übergeordnete Schutz- und Hygienemaßnahmen). Die Krankenhäuser konnten durch die Hilfen keine dauerhaften Rücklagen bilden, da diese Finanzmittel dringend zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung unter den kritischen Pandemierahmenbedingungen benötigt wurden. Durch die Corona-Hilfen wurden in erster Linie ausfallende Zahlungen der Krankenkassen kompensiert, so dass die Hilfen des Bundes weitgehend nicht ergänzend, sondern ersetzend gezahlt wurden. Den Corona-Hilfen standen in dieser Zeit auch extrem hohen Materialkosten der Krankenhäuser gegenüber. Insbesondere in der ersten Phase der Pandemie waren schnelle Reaktionen zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser notwendig, so dass die Hilfszahlungen pauschal zur Verfügung gestellt werden mussten. Die Finanzierungshilfen wurden jedoch relativ schnell differenzierter ausgestaltet und eingegrenzt. Schon in dieser zweiten Phase wurden für bestimmte Bereiche sehr deutliche Kürzungen dieser pauschalen Hilfen vorgenommen. Zum jetzigen Zeitpunkt, über ein Jahr nach der letzten ausgezahlten Corona-Hilfe und angesichts der strukturellen Unterfinanzierung, können auch im Einzelfall schon längst keine diesbezüglichen Rücklagen mehr vorhanden sein.

Ist eine Anpassung der Landesbasisfallwerte aufgrund der Inflationsentwicklung erforderlich oder führen die zukünftigen regulären Anpassungen im System nicht automatisch dazu, dass diese Entwicklungen nachholen und den Krankenhäusern zugutekommen?

Eine außerordentliche Anpassung der Landesbasisfallwerte aufgrund der Inflationsentwicklung ist zwingend geboten, da die gesetzlichen Rahmenbedingungen (Krankenhausentgeltgesetz, Bundespflegesatzverordnung) sehr restriktiv sind und anders als vielfach kolportiert keine Nachholmechanismen vorsehen. Die Landesbasisfallwerte (= vereinfacht „Preise“) werden jährlich, prospektiv zwischen Landeskrankenhausgesellschaften und Krankenkassen verhandelt. Dabei gibt es bestimmte Parameter, die einen Anstieg des LBFW begründen.

 

Jahr

Orientierungswert

Inflationsrate

Steigerung LBFW

jährliche Lücke

2022

6,07 %

7,9 %

2,32 %

3,8 bis 5,6 %

2023

6,95 %

ca.6 %

4,32 %

1,7 bis 2,65 %

Summe über beide Jahre

 

 

5,5 bis 8,25 %

 

Es ist aus der Tabelle klar ersichtlich, dass die inflationsbedingten Kostensteigerungen der Krankenhäuser nur teilweise über die Landesbasisfallwerte refinanziert werden. Es bleibt zum Ende 2023 eine inflationsbedingte Lücke von 5,5 bis 8,25 %, die im Jahr 2024 zusätzlich zu den normalen Landesbasisfallwertsteigerungen ausgeglichen werden müssten. Das heißt, der Landesbasisfallwert 2024 müsste um rund 10 % steigen um diese Lücke der Vorjahre aufzuholen. Dafür gibt es keinen Mechanismus im geltenden Finanzierungssystem. Die Pflegepersonalkosten spielen bei dieser Berechnung im Übrigen keine Rolle, da sie nicht über den Landesbasisfallwert finanziert werden.

Die DKG fordert eine einmalige Anpassung der Landesbasisfallwerte und Psychiatrie-Entgelte um 4- 6 %, um den Inflationsausgleich zu erreichen. Was bedeutet das an Mehrausgaben für die Krankenkassen?

Die einmalige Anpassung der Entgelte um 4-6 % entspricht Mehrausgaben für die Krankenkassen (GKV und PKV) zwischen 2,72Mrd. € und 4,08 Mrd. €. Das sind, nur bezogen auf die gesamten Leistungsausgaben der GKV (2022), zwischen 1 % und 1,5 %.

Die Frage, woher das Geld kommen soll, ist eine Frage der Priorisierung. Der Bund stellt für zahlreiche andere Maßnahmen Gelder zur Verfügung, so zum Beispiel für umweltschädliche Subventionen von Flugzeugkerosin und das Dienstwagenprivileg. In Summe betragen die umweltschädlichen Subventionen laut Umweltbundesamt (2018)65 Mrd. €.Durch die Einsparungen bei solchen umweltschädlichen Subventionen könnte das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst werden, die Beiträge für die Bürgergeldbezieher auskömmlich zu finanzieren. Das wären Mehreinnahmen von rund 10Mrd. €für die Krankenkassen.

Der Bund hat bis zu 6 Milliarden € zusätzliche Mittel als Ausgleich für die gestiegenen Energiekosten angekündigt, beziehungsweise bereits ausgezahlt. Weshalb ist dieses Geld nicht ausreichend, um den Inflationsausgleich dauerhaft zu ermöglichen?

Die Energiehilfen sind Einmalzahlungen und damit nicht basiswirksam zur Refinanzierung der gestiegenen Personal- und Sachkosten. Auch wenn sich die Energiepreise langsam erholen, sind diese noch weit weg vom Vorkriegsniveau. Vor diesem Hintergrund haben die Energiehilfen kurzfristig die hohen Energiepreise abfedern können, sobald diese und die Energiepreisbremsen jedoch auslaufen, verbleibt die Differenz der dann noch bestehenden Kostensteigerungen aller Kostenarten bei den Krankenhäusern, weil die gestiegenen Kosten weiterhin jährlich bei den Krankenhäusern anfallen.

Warum ist die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser aktuell so dramatisch?

Die Gründe für die aktuelle Situation sind vielfältig. Hauptgründe sind sicherlich die hohe Inflation und hohe Personalkostensteigerungen bei gleichzeitig fehlender Refinanzierung, die weiterhin niedrigen Fallzahlen, die unzureichende Investitionsfinanzierung durch die Bundesländer, aber auch die zunehmende Ambulantisierung bei unzureichenden finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen. Der Bund ist verantwortlich für eine ausreichende Finanzierung der medizinischen Leistungen der Krankenhäuser (Betriebskostenfinanzierung). Bei prognostizierten 80 % defizitären Krankenhäusern in 2023 kann dies nicht auf eine „schlechte Geschäftsführung“ der Krankenhäuser zurückgeführt werden, sondern nur auf systemimmanente Gründe. Hinzu kommt die angekündigte Krankenhausreform, deren Auswirkungen und Maßnahmen nicht vorhersagbar sind. Dies erschwert den Krankenhäusern eine langfristige Zukunftsplanung. Kredite werden nicht bewilligt oder verlängert, Neubauten werden gestoppt, Kooperationen auf Eis gelegt. Die Planungsunsicherheit, das fehlende Vertrauen und die sich ständig wechselnden Ankündigungen im Rahmen der Krankenhausreform in Kombination mit der fehlenden Brückenfinanzierung bis zum Inkrafttreten der Reform gefährden aktuell massiv die flächendeckende, medizinische Versorgung der Bevölkerung.

Wie beurteilen unabhängige Analysten, bspw. der Krankenhaus Rating Report von Professor Augurzky (Mitglied Reg.kommission), die aktuelle und zukünftige wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in Deutschland - v.a. im Hinblick auf Defizite und Insolvenzen

Der unabhängige„Krankenhaus Rating Report 2023“ bestätigtdie dramatische wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser. Darin wird prognostiziert, dass sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser noch weiter deutlich verschlechtern wird. Unter der Annahme bestehender Rahmenbedingungen eines konstant geringen Fallzahlniveaus, gestiegener Inflation, geringem demografiebedingtem Wachstum, aber unter Berücksichtigung beschlossener Kurzfristhilfen werde der Anteil der Krankenhäuser mit einer hohen Ausfallwahrscheinlichkeit im Jahr 2023 auf 18 % und bis 2030 auf 44 % steigen. Es wird davon ausgegangen, dass schon im kommenden Jahr über 80 % aller Krankenhäuser negative Betriebsergebnisse ausweisen werden.

Behauptung: Krankenhäuser seien der Kostentreiber im dt. Gesundheitswesen. Wie haben sich die Ausgaben der GKV für den Bereich Krankenhäuser in den zurückliegenden Jahren entwickelt, wie ist dies im Verhältnis zu anderen Leistungserbringern zu bewerten?

Der Anteil der Ausgaben für Krankenhäuser an den Gesundheitsausgaben der Krankenkassen sind seit vielen Jahren rückläufig. Entfielen im Jahr 2010 noch 35,6 % der GKV-Leistungsausgaben auf die Krankenhäuser, so sind es 2022 nur noch 32,1 %.Der Krankenhausbereich hat somit unterdurchschnittliche Steigerungsraten im Vergleich zu den anderen GKV-Leistungsbereichen.

Die nominalen Ausgaben für die ärztliche Behandlung im niedergelassenen Bereich sind im Betrachtungszeitraum stärker gestiegen als die für die Krankenhäuser.

Im ersten Halbjahr 2023 sind die Krankenhausausgaben bei den Krankenkassen um 7 % gestiegen. Ist damit der Inflationsausgleich nicht ohnehin schon gezahlt worden oder welche Sondereffekte verbergen sich hinter diesem Anstieg?

Der vergleichsweise hohe Anstieg ist insbesondere auf die stark gestiegenen Pflegepersonalkosten zurückzuführen. Durch das Pflegebudget werden die Personalkosten und die jährlichen Tarifsteigerungen der Pflege am Bett vollständig refinanziert. Dies zeigt sich–durch mehr vereinbarte Pflegebudgets - nun auch in den Statistiken. Zusätzlich nehmen die Fallzahlen in der stationären Versorgung nach dem Einbruch durch die Corona-Pandemie wieder langsam zu. Bei dem hohen Anstieg der Leistungsausgaben handelt es sich demnach nicht um einen Inflationsausgleich, sondern primär um einen Sondereffekt durch die Pflegebudgets, denen 1:1 gestiegene Pflegepersonalkosten gegenüberstehen.

Bundesminister Lauterbach hat jüngst gegenüber den Ländern erste Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität der Krankenhäuser im Bereich der Pflegepersonalkosten angekündigt. Wird damit die Lage der Krankenhäuser verbessert?

Eine schnellere Auszahlung der bereits verbrieften Ansprüche und als Forderung in den Bilanzen der Krankenhäuser eingebuchten Beträge der Krankenhäuser gegenüber den Krankenkassen ist natürlich wünschenswert und würde kurzfristig die Liquiditätslage für einige Häuser etwas verbessern, schafft aber keine Lösung bei der grundsätzlichen Problematik der oben beschriebenen Kosten-/Erlösschere. Auch kann mit einer solchen Maßnahme die rollende Insolvenzwelle nicht aufgehalten werden. Die Frage, ob die Geschäftsführung zwingend den Gang zum Insolvenzgericht antreten muss, ist nicht allein von der aktuell verfügbaren Liquidität eines Krankenhauses abhängig, sondern ganz zentral von der insolvenzrechtlichen Fortführungsprognose eines Krankenhauses. Eine positive Fortführungsprognose ist bei der Aussicht auf eine dauerhafte Lücke zwischen Kosten und Erlösen, die aus eigener Kraft nicht geschlossen werden kann, nicht zu erreichen.

Ist die Aussage des BMG, wie in einem Faktenblatt behauptet, korrekt?„In Europa gibtaußer Österreich kein Land pro Kopf mehr für Krankenhäuser aus als Deutschland.“

Diese Aussage ist nachweislich falsch wie man in den Eurostat Daten nachprüfen kann.