Krankenhausreform

Fragwürdige Instrumente

Der BDPK hat im Verfahren der Verbändeanhörung zum Entwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) eine Stellungnahme abgegeben. Neben deutlicher Kritik beinhaltet das Papier auch konkrete Verbesserungsvorschläge. Eine Zusammenfassung.

Laut Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) soll der Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause zur ersten Lesung in den Bundestag eingebracht und an den Gesundheitsausschuss geleitet werden. Damit könne das Gesetz wie geplant Anfang 2025 in Kraft treten. Ob dieser enge Zeitplan angesichts der notwendigen Abstimmungen eingehalten werden kann, bleibt abzuwarten. Unabhängig davon vertritt der BDPK in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf für das KHVVG die Auffassung, dass die vom Gesetzgeber gesetzten Ziele Entökonomisierung, Entbürokratisierung und Versorgungssicherheit mit den vorgesehenen Instrumenten nicht erreicht werden. Vielmehr ist das Gegenteil zu befürchten.

Der ökonomische Druck auf Krankenhäuser lastet weiterhin schwer aufgrund der noch nicht ausgeglichenen Kostensteigerungen der vergangenen zwei Jahre. Mit der Einführung von neuen Instrumenten wie den Leistungsgruppen und der Vorhaltevergütung mit zentralistisch vorgegebenen Mindestvorhaltezahlen ist eine erneute Verkomplizierung des Systems zu erwarten. Zudem biete der Gesetzentwurf den Bundesländern kaum Spielraum, um auf die Versorgungsbedürfnisse in den Regionen eingehen zu können. Die vorgesehenen Instrumente könnten sich zwar dazu eignen, Überversorgung abzubauen, weil Krankenhausbehandlungen an größeren Krankenhäusern gebündelt werden, sie sind aber ungeeignet, um die Unterversorgung in vielen ländlichen Regionen zu verhindern.

Versorgungssicherheit: Krankenhausplanung nach Bundesvorgaben

Das Gesetz soll weiterhin nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat sein, über eine spätere Rechtsverordnung zur Festlegung von Leistungsgruppen und Qualitätskriterien sollen die Bundesländer jedoch mitentscheiden dürfen. Der Spielraum der Bundesländer ist damit allerdings stark eingeschränkt. Denn über ihre Mitsprache bei den Leistungsgruppen kann zwar eine gemeinsame „Planungssprache“ der Bundesländer definiert werden, am Ende müssen sie sich aber strikt an die Bundessystematik halten, wenn sie gewährleisten wollen, dass die Krankenhäuser in ihrem Bundesland auch künftig ihre Leistungen abrechnen können. Der BDPK fordert, dass der Bund den Ländern bei der Zuweisung der Leistungsgruppen ausreichend Spielraum gewährleistet, um eine sinnvolle Balance zwischen Qualitätsanforderungen und Versorgungssicherheit herzustellen. Dazu gehört auch, dass für Leistungsgruppen, die von den Planungsbehörden aus Gründen der Versorgungssicherheit an einem Standort als notwendig eingestuft werden, auch eine dauerhafte Finanzierung sichergestellt sein muss.

Ebenfalls auf Bundesebene vorgegeben werden sollen auch die Qualitätsanforderungen für die einzelnen Leistungsgruppen. Es besteht die Gefahr, dass der Bund unter Mitwirkung der medizinischen Fachgesellschaften neben berechtigten auch überzogene Qualitätsvorgaben macht, die die Krankenhäuser insbesondere in ländlichen Regionen zum Beispiel aufgrund des Fachkräftemangels gar nicht erfüllen können. Der BDPK schlägt vor, den Gesetzentwurf so anzupassen, dass die Mindeststrukturanforderungen der jeweiligen Leistungsgruppen auf das Maß dessen beschränkt bleiben, was notwendig ist und nachweislich medizinisch Sinn macht – und somit der Versorgung der Patienten dient.

Das gilt auch für das neue Instrument Mindestvorhaltezahlen. Eine Unterschreitung führt dazu, dass der Anspruch auf Vorhaltevergütung erlischt. Damit sollen Länder praktisch keine Leistungsgruppe mehr an Standorte zuweisen, welche die auf Bundesebene festgelegten Mindestvorhaltezahlen nicht erfüllen können. Das ist ein drastischer Eingriff in die Krankenhausstrukturen und wird dazu führen, dass eine beträchtliche Anzahl insbesondere kleiner Krankenhäuser aufgrund willkürlicher normativer Vorgaben aus einzelnen Versorgungsbereichen ausscheiden wird.

Eine Gefahr für die Versorgungssicherheit sind nach Auffassung des BDPK auch die vorgesehenen Regelungen für Fachkrankenhäuser. Für sie soll die aus Nordrhein-Westfalen übernommene Leistungsgruppensystematik gelten, die dort jedoch für die Krankenhausplanung und nicht für die Leistungserbringung erstellt wurde. Diese Übertragung von bundeseinheitlichen Vorgaben zu „verwandten vorzuhaltenden Leistungsgruppen“ auf Fachkrankenhäuser macht aus medizinischen Gesichtspunkten keinen Sinn und würde dazu führen, dass hoch spezialisierte Versorger vom Netz gehen müssten, die ja laut Entwurf eigentlich gestärkt werden sollen. Die Vorhaltung verwandter Leistungsgruppen muss daher aus Sicht des BDPK dringend daran geknüpft werden, ob sie für das jeweilige Indikationsspektrum zwingend notwendig ist.

Auch eignet sich für Fachkrankenhäuser die Anwendung der Qualitätsvorgaben der OPS-Kodes oder Zertifikate für das jeweilige Indikationsgebiet (wie Zertifikat für Lungenkrebszentrum, „Endocert“ als Zertifizierung von Endoprothetikzentren) besser als die NRW-Vorgaben. 

Entökonomisierung: finanzielle Stabilisierung der Krankenhäuer fehlt

Völlig unzureichend sind aus Sicht des BDPK die im Entwurf vorgesehenen Finanzierungsmaßnahmen. Sie betreffen lediglich zukünftige Kostensteigerungen ab 2025 und berücksichtigen weder die Inflation in den vergangenen zwei Jahren noch die gesunkenen Fallzahlen. Um die äußerst angespannte wirtschaftliche Situation und hohe Insolvenzgefährdung der Krankenhäuser zu verbessern, ist ein vollständiger Inflationsausgleich für die Jahre 2022 und 2023 dringend erforderlich!

Deutliche Kritik übt der BDPK auch an der vorgesehenen Einführung einer Vorhaltevergütung mit einem pauschalen Anteil für alle Krankenhäuser. Im Kern soll die kritisierte Fallzahlabhängigkeit der Krankenhäuser durch eine fallzahlabhängige Vorhaltevergütung entkräftet werden – ein widersinniges Vorhaben, das zu noch mehr Bürokratie, aber nicht zur Entökonomisierung beitragen wird! Ein Finanzierungsmodell, das Krankenhäusern Geld dafür gibt, dass sie Patient:innen nicht behandeln, führt zu Fehlanreizen und in der Folge dazu, dass Krankenhäuser innerhalb eines bestimmten Korridors möglichst weniger Patienten als vorgesehen behandeln.

Damit steigt die Gefahr von Wartelisten für die Patient: innen. Der BDPK schlägt vor, eine politisch offensichtlich gewollte Einführung einer Vorhaltefinanzierung mit der Sicherstellung notwendiger Behandlungsangebote zu verknüpfen: volle Finanzierung der Betriebs- und Investitionskosten entweder von bedarfsnotwendigen Leistungsgruppen (wie Notaufnahme, Notfallambulanz/INZ, Geburtshilfeabteilung, Intensivstation) oder von Krankenhäusern in ländlichen Regionen (entsprechend den Sicherstellungszuschlägen).

Entbürokratisierung: Verkomplizierung des bestehenden Systems

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen zur Entbürokratisierung reichen aus Sicht des BDPK bei Weitem nicht aus, um das kaum noch beherrschbare Regelungs- und Dokumentationsdickicht in Krankenhäusern zu reduzieren. Vielmehr wird sich durch die neuen Prüfungen der Leistungsgruppenanforderungen und die Einführung der Vorhaltevergütung der Dokumentationsaufwand weiter erhöhen und die Mitarbeitenden in den Krankenhäusern werden noch mehr belastet.

Der BDPK schlägt deshalb eine radikale Entbürokratisierung vor, mit der alle Kontrollvorschriften in den relevanten Gesetzen für einen Übergangszeitraum ausgesetzt werden. Nach wissenschaftlicher Evaluation kann entschieden werden, welche Vorschriften in welchem sinnvollen Umfang wieder eingesetzt werden sollten. Eine Liste mit konkreten Regelungen, die entfallen können, hat der BDPK erstellt. Das im Gesetzentwurf vorgesehene Ziel, Einzelfallprüfungen durch Stichprobenprüfungen zu ersetzen, ist aus Sicht des BDPK ein sinnvoller Ansatz, jedoch muss es ausschließlich den Selbstverwaltungspartnern vorbehalten bleiben, das Verfahren der Stichprobenprüfung zu gestalten und zu vereinbaren. Sektorenübergreifende

Versorgungseinrichtungen: Perspektive unklar

Die Finanzierung der sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen soll vollständig über das auf Ortsebene vereinbarte finanzielle Gesamtvolumen gesichert werden. Eine wirtschaftliche Überlebenschance dieser Einrichtungen hängt somit maßgeblich an dem Ausgang der Verhandlungen mit den Sozialleistungsträgern auf Ortsebene. Für eine echte Perspektive müssen diese Einrichtungen dringend in die Investitionsplanung der Länder einbezogen werden. In der Phase der Umsetzung ist die Fortschreibung der Budgets sinnvoll. Darüber hinaus dürfen die möglichen Leistungen der Kurzzeitpflege nicht den Regulierungen des SGB XI sowie den Heimgesetzen der Länder zugeordnet werden. Der aus diesen Regelungen resultierende Nachweisaufwand und die damit verknüpften Sanktionspflichten wären in diesen Einrichtungen kaum zu leisten.

Zielbild regionale Versorgungsplanung

Ein zentrales Anliegen des BDPK ist es, bei der Reform nicht nur die Krankenhausplanung und -vergütung in den Blick zu nehmen, sondern ein umfassendes System der regionalen Versorgungsplanung zu entwickeln, das auf alle relevanten Versorgungsbereiche ausgerichtet ist. Die haus- und fachärztliche Versorgung muss dabei ebenso einbezogen werden wie die ambulante Notfallversorgung, der Rettungsdienst und die Übergangspflege im Anschluss an die Krankenhausbehandlung. So wäre auch der im Koalitionsvertrag der Ampel vorgesehene Einstieg in regionale Versorgungsmodelle mit regionalen Gesundheitsbudgets machbar.