Kolumne von Thomas Bublitz: Misere macht Sorgen
Häufig wird mir als Verbandsvertreter von Mitgliedern die Frage gestellt, wie die Lage in Berlin ist und auf was sich die Kliniken einstellen müssen. Die Antwort darauf ist mir noch nie so schwergefallen wie jetzt. Weil die Zahl der Kliniken mit negativem Betriebsergebnis mit 60 Prozent auf Höchstniveau liegt. Weil viele Krankenhäuser noch keinen Abschluss zum Pflegebudget 2020 haben, was für sie ein ernsthaftes Liquiditätsproblem bedeutet. Weil die Inflationsrate die energiehungrigen Kliniken besonders trifft, denn durch ihre feststehenden Sätze können sie diese und andere Preissteigerungen nicht weitergeben und werden wirtschaftlich ausgezehrt.
Obendrein erdulden die Kliniken seit Jahrzehnten wie selbstverständlich die Verantwortungslosigkeit der Bundesländer, die die notwendigen Investitionsmittel für die Modernisierung nicht bereitstellen. Dafür bisher vorhandene Kompensationsmöglichkeiten aus Betriebsmitteln und durch steigende Fallzahlen gehören seit Corona der Vergangenheit an. Gleichzeitig fordern die Gewerkschaften bezahlte Freizeit für alle, die anstelle des vorgesehenen Dienstplanes einspringen. Personalausfälle wegen Coronainfektionen werden dann dazu führen, dass die, die eingesprungen sind, bald ebenfalls fehlen, weil sie zusätzliche freie Tage nehmen. Dies könnte vorübergehende Stilllegungen von stationären Behandlungskapazitäten und damit weitere Einnahmeausfälle nach sich ziehen.
Parallel wird vor einem harten Coronaherbst/-winter gewarnt. Die neuen Mutationen zwingen mehr Patient:innen in Krankenhäuser und betreffen auch das Klinikpersonal. Angepasste Impfstoffe stehen derzeit nicht zur Verfügung. Hilfen für Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen gibt es nicht mehr. Die Finanzen der Krankenkassen sind strapaziert. Niemand weiß, woher das benötigte Geld kommen soll, auch nicht der Finanzminister. Aus dem Gesundheitsministerium gibt es keine mutmachenden Vorstöße. Lösungsperspektiven für die genannten Probleme fehlen, stattdessen soll es noch mehr bürokratische Regulierung bei der Pflege durch den Gesetzentwurf zur PPR 2.0 geben und weiter geltende Pflegepersonaluntergrenzen. Zudem steht bei der Kalkulationsvereinbarung durch die Selbstverwaltung für 2023 eine Absenkung der Bewertungsrelationen im Raum, begründet mit vermeintlicher Doppelfinanzierung im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, nach dem ab 2024 die Finanzierungsgrundlage für 20.000 Pflegehilfskräfte entfallen soll. Welche Rolle da die wissenschaftlich besetzte Expertenkommission in Sachen Versorgungsstufen und Vorhaltefinanzierung spielen wird, vermag ich mir kaum vorzustellen.
Ich habe unsere Kliniken noch nie so tief in der Misere gesehen und deshalb die große Sorge, dass die politischen Entscheider nicht helfen können oder wollen. Mutmachende Antworten kann ich daher nicht geben.