PPP-RL: Aufschieben ist keine Lösung

Mitte September hat der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) eine Änderung der Richtlinie für die Personalbemessung in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen (PPP-RL) beschlossen. Einige Mängel der Richtlinie wurden zwar entschärft, es bleibt aber weiterer Änderungsbedarf.

Die in der PPP-RL vorgesehenen finanziellen Sanktionen bei Nichterfüllung der Personalmindestvorgaben sollen erst ab dem Jahr 2024 gelten und wurden damit erneut um ein Jahr verschoben. Für drei Jahre ausgesetzt wurde auch die stations- und monatsbezogene Nachweispflicht. Sie soll allerdings in dieser Zeit erprobt werden, deshalb müssen fünf Prozent der Einrichtungen als Stichprobe weiterhin entsprechende Nachweise erbringen. Geändert wurde auch die Eingruppierung von Patient:innen nach differenzierten Behandlungsbereichen. Darauf soll zukünftig verzichtet werden, um die Dokumentationspflichten zu reduzieren. Zudem können die sogenannten Regelaufgaben einer Einrichtung, die ab 2024 zu erfassen sind, auf Basis von Routinedaten dokumentiert werden.

Aus Sicht des BDPK sind die Aussetzung der Sanktionen und die Reduzierung der Bürokratiebelastungen für die Krankenhäuser ein überfälliges positives Signal. Allerdings machen die mehrfachen Verschiebungen auch deutlich, dass das gewünschte Ziel der Richtlinie, die Qualität der Versorgung psychiatrischer und psychosomatischer Patienten zu verbessern, weiterhin nicht erreicht ist. Deshalb ist es nach wie vor notwendig, die Richtlinie grundsätzlich zu überarbeiten und für psychiatrische und psychosomatische Versorgung praxis- nah auszugestalten.

Parlamentarische Diskussion mit klaren praktischen Empfehlungen

Wie diese Änderungen konkret aussehen sollten, hatten Politiker:innen und Klinikvertretende wenige Tage vor der G-BA-Sitzung öffentlich diskutiert. Auf Einladung des BDPK fand eine Online-Diskussion zur PPP-RL statt, bei der sich die Expert:innen aus Politik und Praxis hinsichtlich des Änderungsbedarfs weitgehend einig waren. Bemängelt wurde an der Richtlinie

  • die fehlende Flexibilität, die schädlich ist für neue Be- handlungskonzepte wie die stationsäquivalente Behandlung und dezentrale tagesklinische Versorgung,
  • die starre Pressung des Personals in Abteilungen, obwohl in den meisten Kliniken abteilungsübergreifend gearbeitet wird,
  • die unflexible Zuordnung von Tätigkeiten auf einzelne Berufe, die unter dem Aspekt einer guten und patientenbezogenen Versorgungsqualität untauglich ist,
  • die personelle Dominanz der psychiatrischen Pflege, obwohl viele Patienten beispielsweise mit Angststörungen Depressionen, Essstörungen und suizidalen Neigungen weniger pflegerische Unterstützung, sondern vor allem therapeutische Hilfe benötigen. So besteht in vielen Kliniken im Falle der Umsetzung der Richtlinie ein 50-prozentiges Defizit an psychiatrischen Pflegekräften, die es auf dem Markt gar nicht gibt, und eine 300-prozentige Überversorgung mit Psychotherapeuten und Psychologen, die entlassen werden müssten,
  • dass für die gesamte psychosomatische Versorgung, die als psychotherapeutische Hardcorebehandlung in stationärem Setting zu verstehen ist,
  • dass keine eigenständige, wissenschaftlich evaluierte Ermittlung des Personalbedarfs vorgenommen wurde. Es wurden schlicht im „Huckepack- Verfahren“ Vorgaben aus der 30 Jahre alten Psych-PV für die Psychosomatik übernommen, die mit der Praxis in psychosomatischen Kliniken nur wenig zu tun haben,
  • dass die Richtlinie die Kliniken in einen nicht aufzulösenden Konflikt führt, da ihnen einerseits eine Pflichtversorgung der Patienten auferlegt ist und sie andererseits bei Einhaltung der Richtlinie Patient:innen die Aufnahme versagen müssten.

Auch nach dem Änderungsbeschluss des G-BA behalten diese Hauptkritikpunkte ihre Gültigkeit. Der BDPK appelliert deshalb an den G-BA, die gewonnene Zeit zu nutzen, um die Richtlinie grundsätzlich zu überarbeiten und für psychiatrische und psychosomatische Versorgung praxisnah auszugestalten.

Ein Mitschnitt der Online-Diskussion ist hier abrufbar.