Digitale Anwendungen in der Reha
Der Einsatz digitaler Technologien in Reha und Vorsorge muss besser finanziert werden! Denn moderne intelligente Technik stiftet hier besonders hohen Nutzen für die Patient:innen – und auch die Kostenträger profitieren davon. Das machen drei Beispiele aus BDPK-Mitgliedseinrichtungen deutlich.
Nach einem Schädel-Hirn-Trauma mit computergestütztem Training wieder neu laufen lernen, chronische Schmerzen mithilfe einer App behandeln, die Reha auf dem Smartphone zu Hause weiterführen – das Spektrum digitaler robotischer und technischer Therapie- und Assistenzlösungen in der Reha ist immens. Doch obwohl schon zahlreiche Einrichtungen viele digitale Hilfsmittel nutzen, wird das Potenzial bei Weitem nicht ausgeschöpft. Die Bereitschaft für den Einsatz ist zwar überall vorhanden, aber die erforderlichen und oft hohen Investitionen können viele Einrichtungen aus eigener Kraft nicht stemmen und in der Vergütung werden digitale Leistungen von den Kostenträgern nur selten anerkannt.
Dabei sind mit dem Teilhabestärkungsgesetz im Juni 2021 „digitale Gesundheitsanwendungen“ explizit in den Leistungskatalog der medizinischen Rehabilitation aufgenommen worden (§ 42 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX). Doch an anderer Stelle, wie im 2020 beschlossenen Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), wurden Reha- und Vorsorgeeinrichtungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur schlicht „vergessen“.
E-Health ist hier besonders wirkungsvoll
Dass der Einsatz digitaler Technologien in Reha und Vorsorge vom Gesetzgeber und den Kostenträgern nicht stärker gefördert wird, ist völlig unverständlich, denn gerade hier kann die Digitalisierung viel bewirken:
- Bessere Vernetzung fördert die Versorgungskontinuität, zum Beispiel beim Übergang vom Akutkrankenhaus in eine Anschlussreha. Patient:innen kommen schneller vom Krankenhaus in die Reha, das verbessert den Therapieerfolg und senkt bei allen Beteiligten die Kosten.
- Der Genesungsprozess wird verbessert und verkürzt. In der Reha haben das Patientenselbstmanagement und die aktive Mitarbeit im Behandlungsprozess zentrale Bedeutung. Digitale Plattformen und Anwendungen bringen hier enorme Verbesserungen. Mit digitalen Hilfsmitteln funktioniert die rehatypische Patienteneinbindung (zum Beispiel die Patientenedukation und die „Selbstvermessung“, um den eigenen Fähigkeitsfortschritt zu verfolgen) erheblich besser.
- Unwirtschaftlichkeiten im Versorgungsablauf werden vermieden. Das „Case Management“ in der Reha-Nachsorge wird mit digitalen Anwendungen deutlich einfacher und effektiver.
Vom Einsatz digitaler Hilfsmittel in Reha und Vorsorge profitieren am Ende alle: die Patient:innen, die schneller und Erfolg versprechender ihre Teilhabe zurückbekommen, die Akteure wie Therapeut:innen, Pfleger:innen und Ärzt:innen sowie die Kostenträger, die Behandlungskosten sparen. Drei Anwendungsbeispiele aus der Praxis machen Wirkung und Nutzen deutlich:
Vamed: Steigerung für den Behandlungserfolg
Die Digitalisierung ist in den Einrichtungen der Vamed Ge- sundheit Deutschland weit fortgeschritten und elementarer Bestandteil des Klinikalltags. So auch in der Vamed Klinik Schloss Pulsnitz, einer Fachklinik für Neurologisch-Neurochirurgische Rehabilitation, deren Ärztlicher Direktor und Chefarzt Prof. Dr. Marcus Pohl erklärt: „Digitale Technik nutzen wir fast überall in unserer täglichen Arbeit, ob in der Verwaltung, der Therapieplanung oder der Pflegedokumentation. Auch in der Behandlung unserer Patient:innen sind digitale therapeutische Helfer umfassend im Einsatz. Eines von vielen Beispielen dafür ist das Gangstudio, in dem die Patient:innen ihre Gehfähigkeit nach schweren neurologischen Erkrankungen oder Verletzungen zurückgewinnen. Mit der digitalen Technik können unsere Therapeut:innen die Patient:innen eng begleiten und das Gangtraining minutiös an die individuellen Gegebenheiten und Fortschritte anpassen. Die digital gesteuerten Geräte kombinieren den Schweregrad der Übungen sowie die Trainingsintensität mit den körperlichen und kognitiven Fähigkeiten, zudem dokumentieren sie die Messwerte sehr präzise und anschaulich. Das ist auch für die Motivation der Patient:innen wichtig, denn so können sie ihre Fortschritte und ihre Leistungsfähigkeit besser erkennen. Hilfreich ist zudem das spielerische Element der digitalen Anwendungen, das macht den Patient:innen Spaß und spornt sie an. Für unsere Therapeut:innen sind die digitalen Helfer eine große Entlastung und sie können sich intensiver um ihre Patient:innen kümmern. Da wir die digitalen Anwendungen als Bestandteil einer Clusterleistung ansehen, gibt es eine bereichsübergreifende klinikinterne Vernetzung, das schafft hohe Transparenz für alle medizinischen Bereiche und kommt dem Behandlungserfolg zugute.“
Rehasan: erste App im Mutter-Kind-Bereich
In den Mutter-Kind-Kurkliniken (Schwerpunkte Atemwegserkrankungen und psychosomatische Erkrankungen) sowie den Reha-Kliniken (unter anderem Orthopädie, Gastroenterologie, psychovegetative Erkrankungen) der Rehasan-Gruppe gibt es neuerdings eine Smartphone-App, mit der sich sämt- liche für Patient:innen wichtige Informationen an einem zentralen Ort abrufen lassen. Sandra Meis, Geschäftsführerin der Rehasan Kliniken Holding GmbH in Köln: „Im Mutter-Kind- Bereich sind wir die Ersten, die digitalisiert im Rahmen einer Vorsorgeeinrichtung arbeiten. Mit einem Fingertipp können die Mahlzeiten der nächsten Woche ausgewählt, eine defekte Glühbirne im Zimmer gemeldet oder nachgesehen werden, wann und wo die nächste Therapie stattfindet. Auch Wetterbericht, Lageplan und Freizeitangebote sowie Informationen zur Klinik und die Möglichkeit, in Gruppen zu kommunizieren – alles ist in der App. Zudem bietet die digitale Speisekarte aufs Gramm genaue Nährwertangaben und informiert über Inhaltsstoffe und Allergene. Mit ihrer intuitiven Benutzeroberfläche sorgt die App für eine schnelle und effiziente Organisation des Alltags. Als weiteres zukunftsgerichtetes Attribut unterstützt die App die Idee der ‚Smart Clinic‘. In der Fachklinik Weserland in Bad Pyrmont zum Beispiel lassen sich über die App bereits Lichtschalter, Verdunkelungsrollos und das Fernsehgerät ansteuern. Das klappt hervorragend und wird von den Patient:innen sehr gut angenommen. Zudem ist es zeitgemäß, denn für viele ist das Handy unverzichtbar geworden, auch während des Aufenthalts bei uns. Natürlich können die Patient:innen wählen: Wer lieber auf das Smartphone verzichten möchte, bekommt alle relevanten Informationen wie bisher auf Papier ausgedruckt. Die Vereinfachung der Abläufe kommt auch den Mitarbeitenden zugute, besonders für die Logistik von Essensbestellung und Großküche bedeutet die App eine spürbare Arbeitserleichterung. Die Gesundheitsdaten der Patient:innen und das Verwaltungssystem der Klinik sind strikt von der App getrennt; je- de Koppelung mit medizinisch oder diagnostisch relevanten Daten ist ausgeschlossen.“
Mediclin: poststationäre Reha
Der Klinikverbund Mediclin setzt eine Therapie-App ein, die zusammen mit weiteren digitalen Angeboten zentraler Teil der kürzlich gestarteten Online-Plattform „www.mediclin-home. de“ ist. Carina Gassen, Leiterin von Mediclin Home, erklärt: „Die Therapie-App wird bereits von den Patient:innen unse- rer 15 orthopädischen Rehabilitationskliniken genutzt. Sie enthält leicht verständliche Bewegungsangebote, Fitness- und Entspannungsübungen, Seminare zu unterschiedlichen Themenbereichen der Gesundheit sowie Rezeptvorschläge und Übungen im Bereich der Logopädie und Ergotherapie. Während des Aufenthaltes lernen die Patient:innen Schritt für Schritt die Handhabung aller Funktionen. Zusammen mit den Fachtherapeuten wird die Anwendung Tag für Tag weiter optimiert und stetig an die Leistungsverbesserung angepasst. Über die App können Patient:innen während und vor allem nach der Rehabilitation digital betreut werden und so selbstbestimmt zu ihrem Therapieerfolg beitragen. Über die App nehmen die Patient:innen ihre qualifizierten Therapeut:innen quasi mit nach Hause und erhalten somit eine therapeutische Begleitung rund um die Uhr. So sichern wir die Nachhaltigkeit der Rehabilitation und damit den Therapieerfolg. Letztendlich kann mithilfe dieser digitalen Unterstützung die Lücke zwischen Rehabilitation und Nachsorge geschlossen werden. Nach erfolgreichem Aufbau und Einsatz der App in der Orthopädie folgen jetzt weitere therapeutische Applikationen sowie der Einsatz in der Neurologie und Psychosomatik.“