Koalitionsvertrag: Chancen für den Fortschritt

Eine gute Grundlage für echte Verbesserungen – so bewertet der BDPK den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung für die Bereiche Gesundheit, Soziales und Pflege. Zur Umsetzung der einzelnen Vorhaben macht der BDPK konkrete Vorschläge.

Die neue Bundesregierung hat sich viel vorgenommen für das Gesundheitswesen. Schwerpunkte sind die sektorenübergreifende Versorgung, die digitale Transformation und Maßnahmen zur Fachkräftesicherung. Aus Sicht des BDPK sollten für die Umsetzung aller im Koalitionsvertrag vorgesehenen gesundheitspolitischen Vorhaben die Ergebnisqualität und die Qualitätstransparenz zentrale Bedeutung bekommen. Alle Leistungserbringer in allen Bereichen sollten konsequent die Ergebnisse der von ihnen erbrachten Leistungen messen und veröffentlichen. Dies gilt sowohl für den Krankenhaus- als auch für den Rehabilitationsbereich.

Ambulante und stationäre Versorgung

Die Koalition will die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung teilweise aufheben und zumindest in Teilen eine sektorengleiche Vergütung von Leistungen einführen. Vorgesehen sind dazu „Hybrid-DRG“ mit einer einheitlichen Vergütung unabhängig von Ort und Art der Leistungserbringung. Zudem soll der Ausbau professionsübergreifender, integrierter Gesundheits- und Notfallzentren eine wohnortnahe und bedarfsgerechte, ambulante und stationäre Versorgung sicherstellen. Hierzu sind spezifische Vergütungsstrukturen geplant.

Die Schaffung von Hybrid-DRG bewertet der BDPK sehr positiv. Auch der Ausbau von integrierten Gesundheits- und Notfallzentren ist sehr sinnvoll. Dabei sollte allerdings sichergestellt sein, dass alle Krankenhäuser dazu berechtigt sind. Dass dieser Hinweis notwendig ist, zeigt sich an einem weiteren Vorhaben im Koalitionsvertrag: „Die Gründung von kommunalgetragenen Medizinischen Versorgungszentren und deren Zweigpraxen erleichtern wir und bauen bürokratische Hürden ab. Entscheidungen des Zulassungsausschusses müssen künftig durch die zuständige Landesbehörde bestätigt werden.“

Mehr MVZ sind sicherlich sinnvoll, aber dass Erleichterungen bei der Gründung nur für kommunal getragene MVZ und deren Zweigpraxen gelten sollen, ist aus Sicht des BDPK nicht nachvollziehbar. Private Investitionen werden gebraucht, sie dienen der Patientenversorgung und dem Wohl der Bevölkerung. Würden diese Investitionen erschwert und privatwirtschaftliche Partner ausgeschlossen, wäre die Versorgung – besonders im ländlichen Bereich – zukünftig gefährdet.

Sehr positiv bewertet der BDPK das Vorhaben der Regierungskoalition, die Attraktivität von bevölkerungsbezogenen Versorgungsverträgen (Gesundheitsregionen) zu erhöhen und dafür den gesetzlichen Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern auszuweiten, um innovative Versorgungsformen zu stärken. Hierzu liegen konkrete Vorschläge des BDPK vor, die in die weitere Diskussion eingebracht werden.

Sehr zu begrüßen ist aus Sicht des BDPK auch das Vorhaben, kurzfristig eine Regierungskommission einzusetzen, die Empfehlungen für eine moderne und bedarfsgerechte Kran- kenhausversorgung erarbeitet. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Sie legt Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung vor, die das bisherige System um ein nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt. Kurzfristig sorgen wir für eine bedarfsgerechte ausgeglichene Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe.“

In der Auflistung der Versorgungsstufen bei der Krankenhausfinanzierung fehlen die Spezialversorger. Dringend notwendig ist auch hier die Berücksichtigung der erreichten Versorgungsqualität der Patienten (Ergebnisqualität).

Prävention und Rehabilitation

Hier sieht der Koalitionsvertrag einen „Aktionsplan gesunde Arbeit“ und die Stärkung des Grundsatzes „Prävention und Reha vor Rente“ vor. Zudem sollen die Rehabilitation stärker auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet und die unterschiedlichen Sozialversicherungsträger zu Kooperationsvereinbarungen verpflichtet werden. Vorgesehen ist außerdem, den Zugang zu Maßnahmen der Prävention und Rehabilitation zu vereinfachen, das Reha-Budget bedarfsgerechter auszugestalten und der Erwerbsminderung unter anderem durch einen Ü-45-Gesundheitscheck entgegenzuwirken.

Der BDPK begrüßt diese Vorhaben, die erkennen lassen, dass die neue Regierung in der Reha ein wichtiges Element für eine gesunde Erwerbsbiografie sieht. Wie in allen Bereichen sollte auch hier auf eine konsequente Messung der Ergebnisqualität (Eingliederung in den Arbeitsmarkt) gesetzt werden. Hierbei müssen alle Leistungserbringer, auch die Kliniken der Deutschen Rentenversicherung, mitmachen und sich dem Vergleich stellen. Bei der Zusammenstellung und Entwicklung geeigneter Qualitätskriterien wird sich der BDPK einbringen. Auf etablierte Initiativen des BDPK, wie Qualitätskliniken.de und das IQM, kann dabei zurückgegriffen werden.

Zur Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger empfiehlt der BDPK die Festlegung von gleichberechtigten Verhandlungs- partnerschaften. So ist beispielsweise ein alleiniges „hoheitliches Handeln“ der Deutschen Rentenversicherung nicht zeitgemäß. Zudem fordert der BDPK seit Langem, dass sich DRV und GKV auf einen einheitlichen und vereinfachten Reha-Zugang verständigen sollten. Zwingend notwendig ist auch die Vereinheitlichung der unterschiedlichen Qualitätssicherungssysteme zwischen Kranken- und Rentenversicherung, zumal es heute schon möglich ist, auf einheitliche Qualitätsdaten abzustellen. Weiterhin kann die Kooperation zwischen Krankenkassen und Rentenversicherung durch die Information über AU-Zeiten zwischen GKV und DRV verbessert werden. Damit könnte auch der Weg in eine Rehabilitationsmaßnahme vereinfacht und verkürzt werden. Dieser Effekt würde verstärkt, wenn ab einem definierten Alter (zum Beispiel 45 Jahre) niedrigere Zugangsschwellen zur medizinischen Reha gelten und Ausschlussfristen entfallen.

Der steigende Bedarf an Reha-Leistungen sollte durch eine Erhöhung des Reha-Budgets finanziert werden. Dazu ist nach Auffassung des BDPK die Abschaffung des kameralistischen Systems des Reha-Budgets erforderlich. Stattdessen sollte das Budget flexibel und bedarfsgerecht ausgestaltet und eine Zweckentfremdung der Reha-Gelder ausgeschaltet werden. Zudem sollte sich im Reha-Budget auch abbilden, dass die Digitalisierung in der Reha stärker gefördert werden muss.

Der Koalitionsvertrag sieht außerdem vor, das Intensiv- pflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) zu evaluieren und nötigenfalls nachzusteuern. Dies hält der BDPK auch für den Bereich der medizinischen Reha für erforderlich, zum Beispiel mit Blick auf den Genehmigungsvorbehalt bei Heilverfahren.

Pflege und Gesundheit

Im Koalitionsvertrag heißt es: „Der Dramatik der Situation in der Pflege begegnen wir mit Maßnahmen, die schnell und spürbar die Arbeitsbedingungen verbessern. Kurzfristig führen wir zur verbindlichen Personalbemessung im Krankenhaus die Pflegepersonalregelung PPR 2.0 als Übergangsinstrument mit dem Ziel eines bedarfsgerechten Qualifikationsmixes ein.“

Aus Sicht des BDPK gilt auch für Personalvorgaben: Die Ergebnisqualität ist entscheidend. Die Maßnahmen sollten an ihrem Erfolg gemessen werden – und ausgebaut oder fallengelassen werden. Positiv wertet der BDPK die Ausrichtung der PPR 2.0 auf einen praxistauglichen Qualifikationsmix. Genauso wichtig ist aus BDPK-Sicht ein bedarfsgerechter Organisationsmix, insbesondere die Einbeziehung von Pflegehilfskräften sowie Spezialversorgern (z. B. Orthopädie, Neurologische Früh-Reha).

Fachkräftemangel

Zur Beseitigung des Fachkräftemangels sieht der Koalitionsvertrag vor: „Wir vereinfachen und beschleunigen die notwendige Gewinnung von ausländischen Fachkräften und die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse.“ Dazu ist aus Sicht des BDPK vor allem die Verfahrensbeschleunigung dringend erforderlich. Bundesländerspezifische Unterschiede sind zu beseitigen, indem bundeseinheitliche Verfahrensdauern vorgegeben werden. Zudem sollten bundeseinheitliche Bewertungsstandards vorgegeben werden, die bei der Prüfung auf Landesebene zu beachten sind. Durch diese Normierung werden hohe Synergieeffekte erreicht.

Generell sollten Tätigkeiten, für die der Antragsteller im Ausland qualifiziert war, auch in Deutschland anerkannt werden. Eine EU-weite Anerkennung der Studiengänge und Ausbildungsgänge ist grundsätzlich anzustreben.

Besonders erfreulich ist aus Sicht des BDPK das im Koalitionsvertrag vorgegebene Ziel, die Pflegeausbildung in der Reha zu ermöglichen. Der BDPK weist darauf hin, dass dabei darauf geachtet werden muss, dass auch die Refinanzierung der Ausbildung für die Reha-Einrichtungen sichergestellt ist. Zudem sollte die Reha umfassender (bisher 80 Stunden) in die Pflegeausbildung integriert werden. Hierzu ist die Ausbildungsverordnung anzupassen und auch in der Approbationsordnung für Ärzte muss die medizinische Reha noch stärker berücksichtigt werden.

Digitalisierung und Entbürokratisierung

Zur Digitalisierungsstrategie der neuen Regierungskoalition gehören im Gesundheitswesen der Ausbau der Telemedizin mit Arznei-, Heil- und Hilfsmittelverordnung, Videosprechstunden, Telekonsil, Telemonitoring und telenotärztliche Versorgung. Aus Sicht des BDPK sollten zukünftig auch psychotherapeutische Erstgespräche über digitale Kanäle erbracht werden dürfen.

Ergänzungsbedarf sieht der BDPK auch beim Bürokratieabbau. Hierzu heißt es im Koalitionsvertrag: „Durch ein Bürokratieabbaupaket bauen wir Hürden für eine gute Versorgung der Patientinnen und Patienten ab. Belastungen durch Bürokratie und Berichtspflichten jenseits gesetzlicher Regelungen werden kenntlich gemacht.“ An dieser Stelle sollte der Gesetzgeber dafür sorgen, dass der Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“ wirksam realisiert wird. Dazu sollten unnötige Vertragspflichten und Genehmigungshürden für Reha-Leistungen bei Anträgen auf Pflegeleistungen abgebaut werden.

Gesundheitsfinanzierung

„Die gesetzlichen Krankenkassen sollen ihre Service- und Versorgungsqualität zukünftig anhand von einheitlichen Mindestkriterien offenlegen.“ Auch dieses im Koalitionsvertrag genannte Vorhaben ist aus Sicht des BDPK sehr zu begrüßen. Wichtige Indikatoren dafür können sein: Bearbeitungszeiten für Anträge, Ablehnungsquoten differenziert nach Leistungsarten ausgewiesen, Kundenzufriedenheit bei kranken Versicherten und Leistungserbringern bei Entlassungsmanagement, Umsetzung von Bürokratieabbau und des Grundsatzes „Reha vor Pflege“.