Reha und Vorsorge in der Krise

Keine Beruhigung in Sicht

Die wirtschaftliche Lage von Reha- und Vorsorgeeinrichtungen bleibt extrem angespannt. Eine Erleichterung durch die kommenden Vergütungsverhandlungen ist eher unwahrscheinlich. Zur aktuellen Lage geben drei BDPK-Vorstandsmitglieder ihre Einschätzung ab.

Hauptauslöser der anhaltenden Krise sind drastische Kostensteigerungen in den Bereichen Lebens- und Sachmittel, Energie, Personal und Hygienemaßnahmen. Gleichzeitig gibt es eine hohe Zahl krankheitsbedingter Ausfälle bei Personal und Patient:innen. Der Personalausfall ist rund zehn Prozent höher als sonst, Patient:innen reisen oftmals gar nicht erst an, und die leer stehenden Betten verursachen erhebliche Umsatzeinbußen.

Die Sach- und Lebensmittelkosten der Reha- und Vorsorgeeinrichtungen sind im Vorjahresvergleich um rund 20 Prozent gestiegen und der Mehraufwand für Hygieneschutzmaßnahmen ist weiterhin erheblich. Durch Tests, zusätzliche Reinigungen und Abstandsregelungen, die kleinere Patientengruppen erfordern, wird mehr Personal gebraucht. Während die Deutsche Rentenversicherung (DRV) zumindest einen Hygienezuschlag zahlt, erhalten die Kliniken von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ebenso wie von den Privatversicherungen keinen entsprechenden Ausgleich.

Trotz Gas- und Strompreisbremse sind die Energiekosten der Reha- und Vorsorgeeinrichtungen höher als vor der Krise, und von den gesetzlich vorgesehenen Erleichterungen ist in den Kliniken bisher noch nichts angekommen. Der Härtefallfonds gilt für Reha und Vorsorge nur für das Jahr 2022, wobei die Umsetzung immer noch unklar ist und vom Bundesarbeitsministerium per Rechtsverordnung geregelt werden soll. Für das Jahr 2023 ist kein gesetzlicher Ausgleich der erhöhten Energie-, Sach- und Lebensmittelkosten vorgesehen, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die zusätzlichen Kosten in den Vergütungssätzen 2023 eingepreist werden. Dazu müssten die Vergütungssätze überproportional steigen – laut übereinstimmenden Kalkulationen mindestens im zweistelligen Prozentbereich! Ob die Kostenträger zu solchen Vergütungssatzanpassungen bereit sind, ist allerdings mehr als fraglich. Deshalb ist zu befürchten, dass die Kliniken für den Bereich der GKV die Schiedsstellen anrufen müssen, was zu belastenden Zeitverzögerungen führen wird. Da für die DRV Schiedsstellen gesetzlich nicht vorgesehen sind, ist dieser Weg hier ausgeschlossen und einige Kliniken werden deshalb wohl erstmals den Klageweg beschreiten müssen. Schon im vergangenen Jahr haben viele Kliniken die erforderlichen Vergütungsanpassungen kaum durchbringen können.

Eine zusätzliche schwere Belastung besteht für die Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in der Personalgewinnung: Der Fachkräftemangel führt zu enormen Gehaltssteigerungen sowie erhöhten Recruiting-Kosten und sie stehen in Konkurrenz zu anderen medizinischen Leistungserbringern. Doch während Krankenhäuser die Pflegepersonalkosten erstattet bekommen und niedergelassene Therapeut:innen eine um 8,47 Prozent erhöhte Vergütung für 2023 erhalten, hat die DRV für die Reha nur einen Richtwert von 6,03 Prozent für Vergütungssatzerhöhungen insgesamt beschlossen. Die GKV wird für Vergütungssteigerungen allenfalls die Grundlohnsumme von 3,45 Prozent zahlen.

Da die Vorstellungen der Reha-Träger und der Einrichtungen zu Vergütungssatzanpassungen sehr weit auseinanderliegen, wird es in den nächsten Monaten zu harten Auseinandersetzungen – und möglicherweise auch zu weiteren Klinikschließungen – kommen. Dazu Stimmen aus dem BDPK-Vorstand:

Dr. York Dhein, Vorstand (COO) Mediclin AG

Die Landschaft der Rehabilitation steht vor tiefgreifenden Veränderungen: explodierende Kosten, keine ausreichende Refinanzierung, nahezu keine Coronahilfen mehr und ein Markt, der noch nicht wieder voll intakt ist. In den nächsten Monaten werden wir beobachten müssen, dass viele Anbieter existenziell in die Knie gehen, die langjährig mit hervorragender Qualität und klugen Konzepten unsere Patienten versorgt haben.

Die Lauterbach'sche Abrissbirne wird auch viele Reha-Kliniken treffen. Die Rehabilitation verfügt über hervorragende Konzepte, gerade in „Reha-nahen“ Akutindikationen wie zum Beispiel der Neurologie Phase B und Akutpsychosomatik. Sie setzt diese zum Vorteil unserer Patienten um: durchgehende, verzahnte Versorgungspfade und eine frühzeitige kompetente Rehabilitation durch Spezialisten sorgen für eine patientengerechte Versorgung. In Lauterbachs Reform kommt das nicht vor − will die Politik darauf unter dem Motto „modern“ und „bedarfsgerecht“ wirklich verzichten?

Michael Dieckmann, Vorstand (CDO) Ameos Gruppe

Akut- und Reha-Krankenhäuser werden seit Monaten mit diesen Herausforderungen alleinegelassen. Die Politik schaut zu, wartet ab und spielt auf Risiko. Statt Verlässlichkeit im Miteinander herrscht Beliebigkeit vor. Statt zu gemeinsamer Krisenbewältigung aufzurufen, wird hinter verschlossener Tür über das Zielbild einer veränderten Krankenhausstruktur diskutiert. Verantwortliches politisches Handeln ist einer Phrasendrescherei gewichen.

Es ist mir unbegreiflich, wie zuverlässige und hochengagierte ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung in ganz Deutschland zum Spielball politischer Interessen wird. Wenn es so weitergeht, wird ambulante und stationäre Versorgung kurzfristig gegen die Wand gefahren. Es geht um Akut- und Reha-Krankenhäuser, in denen die Beschäftigung von zigtausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie die Behandlung von zigtausend Patientinnen und Patienten gefährdet ist.

Ulf Ludwig, Vorstand (CEO) Medical Park-Gruppe

Trotz der nachgewiesenen langjährigen Unterfinanzierung der nicht Kostenträger eigenen Reha-Kliniken erbringen wir heute in Deutschland eine hocheffiziente Rehabilitation. Der äußerst sparsame Umgang mit allen Ressourcen gehört zur DNA der privaten Rehabilitationseinrichtungen. Umso härter treffen uns jetzt die explodierenden Preise bei der Energieversorgung und die hohe Inflation beim Einkauf von Lebensmitteln und medizinischem Bedarf bei gleichzeitig immer noch hoher Coronabelastung. Das heißt aber auch, dass weitere Einsparungen im Verbrauch nicht realistisch umsetzbar sind oder eine deutliche Qualitätsreduktion zur Folge hätten. Nachhaltige Einsparungen wären nur durch Investitionen in Energiespartechnik und Digitalisierung möglich. Doch woher sollen die Mittel dafür kommen, wenn keine wirtschaftlichen Überschüsse zu erzielen sind? Daher brauchen wir dringend eine Refinanzierung der Sachkostensteigerung und Fördermittel für zukunftsweisende Investitionen!