Der G-BA legte Mindestpersonalvorgaben für die Psychiatrie und Psychosomatik erstmals im September 2019 fest. Seitdem wurde die Scharfschaltung der Richtlinie mehrfach verschoben. Zuletzt wurden am 16. September 2021 auf Initiative der Krankenhausseite die Sanktionen um ein weiteres Jahr ausgesetzt.Das heißt, dass für psychiatrische Einrichtungen Vergütungsabschläge bei nicht vollständiger Erfüllung der Mitwirkungspflichten erst ab dem 1. Januar 2023 greifen und für psychosomatische Einrichtungen ab dem 1. Januar 2024.
Auch wenn das Verschieben der Sanktionen den psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen etwas Luft verschafft, so ändern die Beschlüsse nichts an den grundsätzlichen Webfehlern der Richtlinie. Warum stößt sie nach wie vor auf Ablehnung der Leistungserbringerverbände sowie psychiatrischer und psychosomatischer Fachgesellschaften?
Die Personalvorgaben berücksichtigen zu wenig die individuelle Situation vor Ort. Psychosomatische Krankenhäuser behandeln Patient:innen mit Krankheitsbildern wie Depressionen oder Essstörungen. Die meisten Patient:innen sind mobil und seltener auf die Pflege am Bett angewiesen. Allerdings besteht bei diesen Patient:innen ein hoher Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung. Trotzdem zwingt die Richtlinie
- psychosomatische Krankenhäuser dazu, erfahrene Psychotherapeuten abzubauen, um im stark umkämpften Arbeitsmarkt Pflegekräfte zu gewinnen, die an anderer Stelle dringend benötigt werden.
- Die negative Wirkung der Richtlinie wird dadurch verschärft, dass sie kleinteilige und hoch aufwendige Nachweise mit Stationsbezug vorsieht. Mit moderner psychiatrischer und psychosomatischer Versorgung ist das nicht vereinbar. Schon längst lässt sich das beschäftigte Personal nicht mehr der einzelnen Station zuordnen. Indikationsspezifische Angebote, etwa im Bereich der Spezial- und Bewegungstherapie, richten sich in aller Regel an Patient:innen vieler Stationen. Wenn nun alles Personal wieder der Station zugeordnet werden muss, dann wird Versorgung in ein Stationskorsett gepresst, das psychiatrische und psychosomatische Versorgung in längst überwundene Versorgungsstrukturen zurückwirft.
Diese kritische Beurteilung wird vom BDPK sowie von anderen Klinik- und Fachverbänden bereits seit Einführung der PPP-RL vorgebracht. Der BDPK diskutiert in der Facharbeitsgruppe Psychiatrie/Psychosomatik regelmäßig zum Umgang mit der PPP-RL und hat die Kritik an der Richtlinie auch in diesem Berichtsjahr auf mehreren Kanälen platziert (z. B. auf www.klinik-fakten.de und www.bdpk.de). Klar ist aber auch: Der G-BA wird nicht grundsätzlich von der PPP-RL abweichen.
Anlässlich der im Jahr 2022 anstehenden Anpassungsbeschlüsse zur PPP-RL wird es also darum gehen, in der BDPK-Facharbeitsgruppe Psychiatrie/Psychosomatik gemeinsam mit der DKG weiterhin Verbesserungen im Detail zu diskutieren und zu fordern. Priorität bei einer Richtlinien-Modifizierung sollte der flexible Einsatz des verfügbaren Personals in den Kliniken haben. Entscheidendes Kriterium können nicht starre Strukturvorgaben sein, sondern einzig und allein der tatsächliche Personalbedarf im Krankenhaus. Die umfangreichen Nachweispflichten müssen deutlich entschlackt und der Stationsbezug aufgegeben werden. Erst wenn sichergestellt ist – so hat es auch die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) in ihrem Beschluss im Sommer 2021 formuliert – dass die Richtlinie Anreize für die Entwicklung einer leitliniengerechten, patientenzentrierten, flexiblen und gemeindenahen Versorgung setzt, sollten die Sanktionen greifen.