Corona-Krise: Belastungsprobe für Reha- und Vorsorgeeinrichtungen

Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen übernehmen eine unverzichtbare Rolle in der Gesundheitsversorgung kranker und von Krankheit oder Behinderung bedrohter Menschen. Sie fördern Teilhabe und helfen, Pflegebedürftigkeit und Erwerbsminderungsrenten zu vermeiden.

Seit dem Frühjahr 2020 stellt die Corona-Pandemie unser Gesundheitswesen auf eine harte Belastungsprobe. Die Auswirkungen der Pandemie haben auch die über 1.200 Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen in Deutschland zu spüren bekommen. Die Einrichtungen leisten in der Patient:innen- und Rehabilitandenversorgung einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie und müssen dabei häufig um ihre eigene wirtschaftliche Existenz bangen. Während und nach der Pandemie werden Reha- und Vorsorgeeinrichtungen mehr denn je gebraucht:

  • Reha- und Vorsorgeeinrichtungen besitzen als medizinische Einrichtungen das fachliche Know-how, chronisch erkrankte Patient:innen zu versorgen und schaffen auf diesem Weg dringend benötigte Krankenhausbetten für Corona-Patient:innen. Deshalb hat der Gesetzgeber während der Pandemie die Möglichkeit geschaffen, Rehabilitationseinrichtungen zu Ersatzkrankenhäusern umzuwidmen. Die Regelung, § 22 KHG, wurde deshalb sehr zu Recht bis zum 31.05.2021 verlängert.
     
  • Außerdem übernehmen Reha-Einrichtungen frühzeitig Patient:innen von den Krankenhäusern im Rahmen der Anschlussrehabilitation (AHB/AR). Damit gewährleisten sie den Akutkliniken ebenfalls freie Kapazitäten für neue Patient:innen und gewährleisten zudem eine gute Anschlussversorgung der meist schwer erkrankten Krankenhauspatient:innen.
     
  • Bei der medizinischen Rehabilitation der durch Covid-19 schwer erkrankten Patient:innen kommt den Reha-Einrichtungen eine neue wichtige Aufgabe zu. Dabei handelt es sich um komplexe Post-COVID-Rehabilitationsbehandlungen, da die meisten schwer erkrankten COVID-19-Patient:innen mit gravierenden Erkrankungsfolgen im Bereich der Konzentration, der Atmung und Alltagsbelastbarkeit zu kämpfen haben. Dieses interdisziplinäre Leistungsspektrum kann nur in der Reha gewährleistet werden. Nur so haben Corona-Patient:innen die Chance, künftig wieder am gesellschaftlichen Leben und dem Arbeitsmarkt teilhaben zu können.

Der BDPK setzt sich für die Stärkung der Reha und Vorsorge ein und fordert den Gesetzgeber auf, Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in ihrem Einsatz mit entsprechenden gesetzlichen Regelungen zu unterstützen. Nur so können sie ihren Betrieb unter den erschwerten Pandemiebedingungen aufrechterhalten. Leider ist dieser drängende Unterstützungsbedarf trotz seiner Tragweite vonseiten der Krankenkassen nur unzureichend berücksichtigt worden. Deutlich wird dies insbesondere beim gemäß des GPVG zu verhandelnden Corona-Zuschlag. Trotz einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage zur Zahlung eines Corona-Zuschlages ist dieser auch sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht mit den Krankenkassen verhandelt. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich die Krankenkassen auf diese Art und Weise ihrer Verantwortung in der Corona-Pandemie entziehen.

Neben der Corona-Pandemie gab es im Jahr 2020 weitere Themen von großer Relevanz für die Reha- und Vorsorgeeinrichtungen. Mit dem im Oktober 2020 in Kraft getretenen Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG) konnten die Einrichtungen nach langer Durststrecke dank unermüdlicher Überzeugungsarbeit konkrete Verbesserungen im Bereich der GKV-Rehabilitation erreichen. Der BDPK führt seit November 2020 gemeinsam mit weiteren Reha-Spitzenverbänden intensive Verhandlungen zur Umsetzung des GKV-IPReG mit den Krankenkassen (vgl. hier). Eine weitere wichtige Grundlage für eine zukunftsfähige Rehabilitation hat das ebenfalls im Oktober 2020 in Kraft getretene Patientendaten-Schutz-Gesetz geliefert. In einer sektorübergreifenden Gesundheitsversorgung ist es unerlässlich, dass die Reha- und Vorsorgeeinrichtungen über die nun mögliche Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) wie die Krankenhäuser und niedergelassenen Ärzte an der vernetzten und sicheren digitalen Kommunikation im  Gesundheitswesen teilnehmen. Der BDPK setzt sich in den Verhandlungen mit den Kostenträgern dafür ein, dass den Einrichtungen die TI-Ausstattungs- und Betriebskosten vollumfänglich erstattet werden, damit die Anbindung auch realisiert werden kann (vgl. hier).         

Reha-Einrichtungen in der Corona-Krise

Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen werden in der Pandemie durch verschiedene Ausgleichsmechanismen unterstützt:

Zuschüsse nach dem SodEG und Hygienezuschlag

Zur Sicherstellung der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen zahlen die Deutsche Rentenversicherung und Deutsche Unfallversicherung gemäß des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes monatliche Zuschüsse von höchstens 75 Prozent des jeweils geleisteten Monatsdurchschnitts 2019. Die Regelungen gelten seit dem 16.03.2020 und sollen bis nach Aufhebung der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite bzw. zum 31.12.2021 gelten.

Im Herbst 2020 hat der BDPK gemeinsam mit der AG MedReha Gespräche mit der DRV Bund zu einem Hygienezuschlag aufgrund der coronabedingt gestiegenen Hygieneanforderungen geführt. Die AG MedReha hat ein Konzept mit den Mehraufwendungen und klinikindividuelle Berechnungen vorgelegt. Auf dieser Grundlage forderte die AG MedReha einen Zuschlag von zwanzig bis dreißig Euro je Rehabilitanden und Tag. Die DRV-Träger einigten sich hingegen auf einen Zuschlag in Höhe von acht Euro für stationäre Reha, sechs Euro für ambulante Reha und 26 Cent. für ganztägig ambulante Reha Sucht pro Rehabilitanden und Behandlungstag. Die im Zuschlag enthaltenen Bestandteile des Zuschlags wurden den Leistungserbringern mitgeteilt, aber eine Kalkulation wurde nicht vorgelegt. Dieser Zuschlag wird vonseiten der DRVen und Unfallversicherungen seit dem 01.08.2020 bezahlt. Derzeit ist er bis zum 30.06.2021 vorgesehen. Die Krankenkassen zahlen den Zuschlag seit 01.09.2020.

Ausgleichszahlungen nach § 111d SGB V

Nach § 111d SGB V erhalten stationäre Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen zwischen dem 16.03. und 30.09.2020 und vom 18.11.2020 bis 31.05.2021 Ausgleichszahlungen in Höhe von sechzig bzw. fünzig Prozent des durchschnittlichen GKV-Vergütungssatzes für jedes nichtbelegte GKV-Bett.

Corona-Zuschlag nach §§ 111 Abs. 5 und 111c Abs. 3 SGB V

Gemäß §§ 111 Abs. 5, 111c Abs. 3 SGB V haben die ambulanten und stationären Rehabilitations- oder Vorsorgeeinrichtungen und die Krankenkassen die Vergütungsvereinbarungen für den Zeitraum vom 01.10.2020 bis zum 31.12.2021 an die durch die COVID-19-Pandemie bedingte besondere Situation anzupassen, um die Leistungsfähigkeit der Einrichtungen bei wirtschaftlicher Betriebsführung zu gewährleisten.

Gemeinsam mit der AG MedReha hatte der BDPK die aktiva-Beratung im Gesundheitswesen GmbH mit einem Kurzgutachten zur Berechnung eines leistungsbezogenen Corona-Zuschlags beauftragt. Nach deren Berechnung wäre ein Zuschlag in Höhe von 21 Prozent auf den Vergütungssatz erforderlich.  Mit dieser Maßgabe hat der BDPK auf Bundesebene und die Reha- und Vorsorgeeinrichtungen auf Landesebene die Krankenkassen zu Verhandlungen aufgefordert. Verhandlungen zu einem Corona-Zuschlag gemäß §§ 111 Abs. 5, 111c Abs. 3 SGB V haben bis heute weder auf Bundesebene noch auf Einrichtungsebene stattgefunden. Die Krankenkassenverbände haben den Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen lediglich zwei Vorschläge unterbreitet - dem Wunsch nach Verhandlungen auf Bundesebene zu einheitlichen Empfehlungen wurde von den Krankenkassen abgelehnt. Deshalb haben Mitgliedskliniken ihre Landesverbände mandatiert, Gespräche zu einer einheitlichen Umsetzung mit den Landesverbänden der Krankenkassen zu führen.

Damit nicht jede Einrichtung mit jeder Krankenkasse individuelle Verhandlungen führen muss, hat der BDPK den Gesetzgeber aufgefordert, eine gesetzliche Grundlage für Verhandlungen zu einem Corona-Zuschlag zwischen den maßgeblichen Verbänden der Reha-Leistungserbringer und dem GKV-Spitzenverband auf Bundesebene zu schaffen.

Zu großem Unverständnis führen auch die nach § 4 SodEG von den Reha-Trägern mitten in der Pandemie abgefragten Erstattungsansprüche. Obwohl die Kliniken noch mit den Auswirkungen der Belegungsrückgänge kämpfen und Rettungsschirmleistungen in Anspruch nehmen, verlangen die Rentenversicherungsträger von den Einrichtungen, alle während des Zuschuss-Bezugszeitraums erhaltenen „vorrangigen Mittel“ anzugeben, um im Anschluss Erstattungsansprüche geltend zu machen. Aus Sicht des BDPK ist dies nicht der richtige Zeitpunkt für Rückzahlungen. Zudem müssten die „vorrangigen Mittel“ nur in Höhe des Belegungsanteils zu Erstattungen führen. Die DRV steht aber auf dem Standpunkt, dass § 4 SodEG hier keine Einschränkungen vornimmt. Nach Beendigung der Ausgleichszahlungen gemäß § 111d SGB V werden auch die Krankenkassen Erstattungsansprüche geltend machen. Der BDPK hat das BMAS um Lösung des Konflikts gebeten. Zudem hat der BDPK gemeinsam mit der AG MedReha die DRVen auf eine andere Auslegung der Bezugsgröße für Erstattungsansprüche hingewiesen. Die DRVen sehen als Bezugsgröße für mögliche Erstattungsansprüche 75 Prozent des durchschnittlichen Monatsumsatzes 2019. Aus Sicht der AG MedReha muss die Bezugsgröße der durchschnittliche Monatsumsatz 2019 in Gänze sein. Denn eine Überzahlung im Sinne des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches entsteht erst dann, wenn die Summe der Zuschusszahlungen und der in § 4 SodEG genannten vorrangigen Mittel höher ausfällt als die für den Monat üblicherweise anfallenden Zahlungen. Berechnungsmaßstab für den Erstattungsanspruch ist damit der Vergleich des vollen „Monatsdurchschnitts“ nach § 3 SodEG und der tatsächliche Mittelzufluss aus Zuschüssen und vorrangigen Mitteln nach § 4 SodEG. Dies ergibt sich auch aus dem Gesetzeswortlaut des § 4 SodEG sowie aus der Gesetzesbegründung zum Sinn und Zweck der Zuschüsse. Diese Sichtweise wird durch eine rechtliche Stellungnahme der Kanzlei Seufert Rechtsanwälte bestätigt und wurde den DRV-Trägern angezeigt.