Stellungnahme PsychVVG

Stellungnahme des BDPK vom 22. September 2016 zum Kabinettsentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG).

Wir begrüßen die Absicht des Gesetzgebers, die Qualität der Patientenversorgung in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern zu verbessern. Dies folgt der Logik der mit dem KHSG ausgerufenen „Qualitätsinitiative für Krankenhäuser“. Mit den im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen wird dies für die psychiatrische und psychosomatische Versorgung allerdings nicht gelingen. Der Grund ist, dass die Ergebnisqualität der erbrachten Behandlungen weder bei den vorgesehenen verbindlichen Personalmindestzahlen noch beim Krankenhausvergleich eine Rolle spielt.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene zentrale Vorgabe bundesweiter Mindestpersonalvorgaben durch den G-BA widerspricht dem Ziel der Leistungsorientierung. Durch Mindestpersonalvorgaben wird faktisch das Selbstkostendeckungsprinzip wieder eingeführt, weil die Personalkosten 80 % der gesamten Kosten psychiatrischer und psychosomatischer Krankenhäuser ausmachen. Die wirtschaftliche Eigenverantwortung der psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser ist damit de facto außer Kraft gesetzt. Innovationen in Versorgung und Organisation werden verhindert, weil sie an den verbindlichen Personalvorgaben ja doch nichts ändern! Verbesserungen der medizinischen Leistungsfähigkeit und der Patientenversorgung lassen sich durch planwirtschaftliche Personalvorgaben nicht erreichen.

Auch der neu vorgesehene leistungsbezogene Vergleich wird in der jetzigen Form die Qualität der Versorgung nicht verbessern, weil er die Qualität überhaupt nicht berücksichtigt. Ein Vergleich der Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser ist ohne einen Vergleich von Qualitätsdaten nicht möglich. Das IQTIG sollte deshalb mit der Erarbeitung von Indikatoren der Ergebnisqualität beauftragt werden. Ein Krankenhausvergleich wird ansonsten faktisch dazu führen, dass Krankenkassen sich an den jeweils günstigsten Krankenhäusern orientieren.

1. Personalvorgaben streichen

Durch den Entwurf soll der bereits bestehende Auftrag an den G-BA zur Erarbeitung von „Empfehlungen für die Ausstattung der stationären Einrichtungen mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal“ (§ 136a Abs. 2) verschärft werden. Der Entwurf sieht vor, dass der G-BA nun „verbindliche Mindestvorgaben für die Ausstattung der stationären Einrichtungen“ definiert (§ 136a Abs. 2 Neufassung).

Bundesweit einheitliche und verbindliche Personaleinsatzzahlen vorzugeben ohne die Ergebnisqualität der Patientenversorgung des einzelnen Krankenhauses zu berücksichtigen, macht überhaupt keinen Sinn. Der Zusammenhang und die Wirkung der Personalvorgaben auf die Behandlungsqualität wird weder berücksichtigt noch zu einem späteren Zeitpunkt untersucht. Ein solches Vorgehen blendet die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung aus.

Aus folgenden Gründen halten wir Mindestpersonalvorgaben für nicht praktikabel:

  • Verbindliche Personalmindeststandards gewährleisten nicht zwangsläufig eine Verbesserung der Versorgungs- und Behandlungsqualität der Patienten. Sie sind nur ein Element neben anderen Elementen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualitätskriterien. Eine derartige Betonung von Personalmindeststandards durch das PsychVVG entspricht nicht den Anforderungen der gerade erst mit dem KHSG beschlossenen Qualitätsoffensive für Krankenhäuser.
  • Eine Anhebung der Personalausstattung in den psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern ist nur realisierbar, wenn eine vollständige Gegenfinanzierung der zusätzlichen Personalkapazitäten durch die Krankenkassen sichergestellt ist. Würde man eine für alle psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser verbindliche Personalmindestbesetzung auf der Basis der heute gültigen Psych-PV einführen, müssten die Krankenhäuser ca. 10 % mehr Personal einstellen. Daraus würden sich überschlägig folgende zusätzliche Kosten ergeben:

Gesamtausgaben für die stationäre psychiatrische und
psychosomatische Versorgung

7,5 Mrd. EUR
Davon 80 % Personalkosten6,0 Mrd. EUR
10 % mehr Personal kosten600 Mio. EUR
20 % mehr Personal kosten1,2 Mrd. EUR

 

Die Fachgesellschaften fordern einen Personalmindeststandard, der deutlich über die Vorgaben der 25 Jahre alten Psych-PV hinausgeht. Eine 10 % über der Psych-PV liegende Personalquote ließe die Kosten für die stationäre Versorgung der psychisch Kranken um 1,2 Milliarden EUR ansteigen.

  • Die zusätzlichen Personalvorgaben könnten selbst bei einer vollständigen Refinanzierung wohl kaum erfüllt werden. Schon heute haben zwei Drittel aller psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser Probleme, offene Arztstellen zu besetzen. Ein Drittel aller Kliniken kann offene Stellen in der Pflege nicht besetzen, weil die Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt nicht verfügbar sind.1 Diese s. g. Fachkraftlücke wird in den kommenden Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung sogar noch zunehmen.

Können die Krankenhäuser verbindliche Personalmindeststandards wegen des nicht verfügbaren Personals nicht erfüllen, wäre die entsprechende Reduktion der Behandlungsplätze die zwangsläufige Folge. Durch die sogenannte Pflichtversorgung sind die psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser verpflichtet, behandlungsbedürftige Patienten aufzunehmen. Die Kliniken sind dann entweder zum Verstoß gegen die Pflichtversorgung oder gegen die verbindlichen Personalvorgaben gezwungen. Die sich daraus ergebenden juristischen Folgen (Haftungsrecht, Strafrecht sind ungeklärt.

  • Zentral vorgegebene, starre und undifferenzierte Personalmindeststandards nehmen den Kliniken die Möglichkeit, auf die regionalen Besonderheiten ihres Versorgungsauftrages eingehen zu können. Vorgaben des G-BA können den unterschiedlichen Gegebenheiten (bauliche Strukturen, Versorgungsstrukturen, Therapiekonzepten und unterschiedlichen regionalen Besonderheiten) in den psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken nicht gerecht werden.

Die Verantwortung einer ausreichenden Personalausstattung muss deshalb in der Verantwortung der Kliniken bleiben. Nur sie können, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage der Fraktion die LINKE erklärt, auf ihre jeweilige Situation zugeschnittene Lösungen finden2.

Änderungsvorschlag
Alle Regelungen, die neue Personalvorgaben nach sich ziehen, sind aus dem Gesetzentwurf zu streichen.

Sollte das aus politischen Gründen nicht möglich sein, müssen die Vertragspartner auf Ortsebene die Möglichkeit haben, regional auf Besonderheiten reagieren zu können. Der G-BA erlässt statt „verbindlicher Mindestvorgaben“ „Richtlinien zur Personalausstattung“.

Über die Umsetzung dieser Richtlinien (ggf. innerhalb eines prozentualen Korridors) können sich die Vertragsparteien vor Ort verständigen. Dabei sind bauliche, geografische, therapeutische, konzeptionelle Belange sowie die besonderen Anforderungen von bestimmten Patientengruppen (z. B. Mehrfachdiagnosen, alte Menschen, …) zu berücksichtigen.


2. Ein leistungsbezogener Vergleich ohne den Vergleich von Qualitätsdaten ist nicht sinnvoll!

Mit diesem Gesetzentwurf soll die im Rahmen der Einführung des Pauschalen Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PEPP-System) für 2019 vorgesehene Konvergenz der Vergütung der krankenhausindividuellen hin zu landeseinheitlichen Preisen gestoppt werden. Als Alternative zum bisherigen Konvergenzmechanismus soll ab 2020 ein Krankenhausvergleich eingeführt werden. In den Vergleich sind insbesondere die im Vorjahr vereinbarten Leistungen und Entgelte, die regionalen oder strukturellen Besonderheiten in der Leistungserbringung, die vereinbarten und tatsächlich beschäftigten Vollkräfte sowie die ambulanten Leistungen einzubeziehen. Die Ergebnisse des leistungsbezogenen Vergleichs sind grundsätzlich bundes- und landesweit auszuweisen und können nach Fachgebieten untergliedert werden.

Der Krankenhausvergleich wird faktisch dazu führen, dass sich die Krankenkassen als Verhandlungspartner vor Ort generell an den jeweils günstigsten und nicht an den besten Krankenhäusern orientieren werden. Der Krankenhausvergleich wird zu einem immanenten und dauerhaften Abwärtstreppeneffekt bei den Budgets führen. Bestätigt sehen wir diese Entwicklung auch durch die heutige Praxis der Budgetvereinbarung. Selten gelingt es den Krankenhäusern in den Budgetverhandlungen den möglichen Veränderungswert (oder doppelten Veränderungswert im Fall der Option) zu vereinbaren. Verschärft wird diese Entwicklung durch weitere Finanzierungs- und Leistungsnachweise (Bewertungsrelationen, Personalvorgaben, MDK-Überprüfungen) die die Vereinbarung leistungsgerechter Budgets erschweren werden.

Bislang wurde auf Ortsebene einvernehmlich festgelegt, wie und zu welchem Preis die Versorgung der psychisch kranken Menschen in diesem Krankenhaus erfolgen sollte. Der Krankenhausvergleich wird durch die Gegenüberstellungen von Kennzahlen mit denen anderer Krankenhäuser die einvernehmlich gefundene Vereinbarung in Frage stellen. Die Versorgungsverantwortung der Vertragspartner auf Ortsebene würde ad absurdum geführt.

Die Gründe für regional verhandelte Besonderheiten (konzeptionelle Ausrichtung, tatsächliche Personalintensität durch die unterschiedliche Patientenklientel) sind im betrieblichen Krankenhausvergleich zudem nicht erkennbar, nur die Kennzahlen. Das Ziel einer auf die regionalen Bedürfnisse und Besonderheiten abgestimmten medizinischen Versorgung wird durch diesen Vergleich mit den Gegebenheiten anderer Krankenhäuser konterkariert! Der Kalkulationsaufwand für bundeseinheitliche Bewertungsrelationen als Transparenzinstrument in einem Budgetsystem ließe sich auf Krankenhausseite nicht vermitteln, wenn zusätzlich an einem Krankenhausvergleich festgehalten würde.

Verhandlungen auf Augenhöhe werden unmöglich gemacht, dadurch, dass dem Krankenhaus nur Landeswerte aus dem Krankenhausvergleich vorliegen, den Krankenkassen aber Werte aller Krankenhäuser.

Änderungsvorschlag
Artikel 2 Nr. 5): § 4 BPflV

Der Krankenhausvergleich wird um Qualitätsindikatoren ergänzt. Mit der Entwicklung aussagenkräftiger Qualitätsindikatoren zur Bewertung und zum Vergleich der erbrachten Behandlungsqualität wird das IQTIG beauftragt.

Einem Qualitätsvergleich muss sich jedes Krankenhaus stellen. Durch die Nutzung von Qualitätsindikatoren kann sichergestellt werden, dass nicht die Vorhaltung von Strukturen, sondern die tatsächlich erbrachte Behandlungsqualität ausschlaggebend für die Bewertung der Leistungsfähigkeit ist.


3. Berücksichtigung von Leistungsveränderungen

Bei der Berücksichtigung von Leistungsveränderungen werden Krankenhäuser im Vergleich zum bestehenden Budgetrecht deutlich schlechter gestellt. Nur wenn die Leistungsveränderungen durch zusätzliche Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung oder des Investitionsprogramms des Landes begründet sind ist eine Überschreitung zulässig (§ 3 Abs. 3 BPflV Neufassung).

Die Beschränkung ist aufgrund des steigenden Versorgungsbedarf in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung nicht sachgerecht und bürdet Risiken der Morbiditätsentwicklung einseitig der Krankenhausseite auf.


Änderungsvorschlag
Artikel 2 Nr. 4d: § 3 Abs. 3 BPflV

Eine Überschreitung des Gesamtbetrags über den Veränderungswert wird auch dann ermöglicht, wenn Leistungsveränderungen aufgrund des steigenden Versorgungsbedarfs notwendig sind.

„[…]; eine Überschreitung aufgrund der Tatbestände nach Satz 4 Nummer 1 oder Nummer 2 ist nur zulässig, wenn die Veränderung von Art und Menge der Leistungen durch zusätzliche Kapazitäten für medizinische Leistungen aufgrund der Krankenhausplanung oder des Investitionsprogramms des Landes begründet ist, oder dies aufgrund eines steigenden Versorgungsbedarfes erforderlich ist.“