Parlamentarische Diskussionsveranstaltung des BDPK zur PPP-RL

Gesundheitspolitikerinnen des Deutschen Bundestages und Klinikvertreter sprachen bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung des BDPK über die Auswirkungen einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), mit der die Personalausstattung in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern festgelegt werden soll.

Bildschirmfoto von der Online-Diskussion am 07.09.2022

Das Bildschirmfoto mit den Klinikvertretern und Politikerinnen. Oberere Reihe (v.l.): Volker Thesing (Asplesios), Thomas Bublitz (BDPK), Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen). Unterere Reihe (v.l.): Daniel Roschanski (Schön-Kliniken), Diana Stöcker (CDU), Dr. med. Christoph Smolenski (Dr. von Ehrenwall´sche Klinik)

Nach Auffassung der Klinikvertreter Dr. med. Christoph Smolenski, Daniel Roschanski und Volker Thesing darf die psychiatrische und psychosomatische Behandlung in Deutschland mit der PPP-RL nicht in die „Steinzeit zurückgebombt“ werden. Als wesentliche Kritikpunkte nannten die Experten

  • die fehlende Flexibilität, die schädlich ist für neue Behandlungskonzepte wie die stationsäquivalente Behandlung und dezentrale tagesklinische Versorgung,
  • die starre Pressung des Personals in Abteilungen, obwohl in den meisten Kliniken abteilungsübergreifend gearbeitet wird,
  • die unflexible Zuordnung von Tätigkeiten auf einzelne Berufe, die unter dem Aspekt einer guten und patientenbezogenen Versorgungsqualität untauglich ist,
  • die personelle Dominanz der psychiatrischen Pflege, obwohl viele Patienten beispielsweise mit Angststörungen, Depressionen, Essstörungen und suizidalen Neigungen weniger pflegerische Unterstützung sondern vor allem therapeutische Hilfe benötigen. So besteht in vielen Kliniken im Falle der Umsetzung der Richtlinie 50-prozentiges Defizit an psychiatrischen Pflegekräften, die es auf den Markt gar nicht gibt und eine 300-prozentige Überversorgung mit Psychotherapeuten und Psychologen, die entlassen werden müssten,
  • dass für die gesamte psychosomatische Versorgung, die als psychotherapeutische Hardcorebehandlung in stationärem Setting zu verstehen ist, keine eigenständige, wissenschaftlich evaluierte Ermittlung des Personalbedarfs vorgenommen wurde. Es wurden schlicht im „Huckepack-Verfahren“ Vorgaben aus der 30 Jahre alten Psych-PV für die Psychosomatik übernommen, die mit der Praxis in psychosomatischen Kliniken nur wenig zu tun haben.
  • dass die Richtlinie die Kliniken in einen nicht aufzulösenden Konflikt führt, da ihnen einerseits eine Pflichtversorgung der Patienten auferlegt ist und sie andererseits bei Einhaltung der Richtlinie Patient:innen die Aufnahme versagen müssten.

Die beiden an der Online-Diskussion teilnehmenden Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Bundestages, Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) und Diana Stöcker (CDU) machten deutlich, dass sie viele der vorgetragenen Kritikpunkte teilen. Als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sei sie allerdings der Auffassung, dass die Qualität der Patientenbehandlung durchaus durch die Faktoren Zeit und Personal beeinflusst wird, meinte Kirsten Kappert-Gonther. Insofern sei sie grundsätzlich für eine bundeseinheitliche Personalbemessung, die allerdings die Versorgung der Patienten verbessern muss. Genau dies leiste die Richtlinie nicht. Sie sei zu starr, zu bürokratisch, zu berufsspezifisch und verhindere moderne Behandlungskonzepte wie stationsäquivalente Behandlung und das Hometreatment. Neue Therapieansätze und ein sinnvoller Qualifikationsmix müssen mit einer Richtlinie ermöglicht werden.

Diana Stöcker kritisierte die Bundesregierung für die unbefriedigende Antwort auf die parlamentarische Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in der genau die besprochenen Kritikpunkte angeführt wurden. Leider habe die Bundesregierung in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass sie diese Probleme sehe oder gar verändern wolle. Große Sorge bestehe auch darin, dass die Richtlinie den dringend notwendigen Ausbau der tagesklinischen Versorgung hemme. Denn gerade dort sei die Richtlinie nicht umsetzbar und der Ausbau der Versorgungsangebote geriete ins Stocken. Zudem äußerte Diana Stöcker die Vermutung, dass die Krankenkassen über die Wirkungen der Richtlinie in ihrer jetzigen Stringenz und den damit einhergehenden negativen Auswirkungen für Kliniken gar nicht so unglücklich sein könnten.

Nach Auffassung der Politikerinnen sei es dringend nötig, dass der BDPK zusammen mit der DKG vor der anstehenden Weiterentwicklung der Richtlinie auf diese Punkte hinweist. Eine direkte politische Einflussnahme durch den Deutschen Bundestag sei nicht möglich. Sehr wohl befasse sich aber der Gesundheitsausschuss mit der Angelegenheit . Zudem würden auch Hintergrundgespräche mit relevanten Akteuren geführt. Der Vorschlag des BDPK, GKV-Spitzenverband, DKG und gemeinsamen Bundesausschuss im Vorfeld der Entscheidung an einen Tisch zu bitten, soll geprüft werden.

Nachtrag:

In seiner Sitzung am 15. September 2022 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen, die finanziellen Sanktionen bei Nichterfüllung der Personal-Mindestvorgaben bis zum Jahr 2024 weiterhin auszusetzen. Weitere Informationen zum G-BA-Beschluss lesen Sie hier. 

 

Den Mitschnitt der Diskussionsveranstaltung sehen Sie hier 

Die Vortragsfolien der Referenten können Sie hier herunterladen: