Untauglich: Die Personalrichtlinie für die psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken

Seit Januar 2020 legt die „Richtlinie über die personelle Ausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik“ (PPP-RL) verbindliche Vorgaben zur Mindestausstattung des therapeutischen Personals in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern fest. Der G-BA, das höchste Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, hatte die Richtlinie im September 2019 gegen die Stimmen der Krankenhäuser beschlossen.

Seit ihrer Einführung wird die Richtlinie vom BDPK sowie zahlreichen Klinik- und Fachverbänden scharf kritisiert. Der Grund: Moderne psychiatrische und psychosomatische Behandlungsangebote sind mit kleinteiligen stationsbezogenen Dokumentationsverpflichtungen, wie sie die PPP-RL vorsieht, nicht vereinbar. Kliniken der Psychiatrie und Psychosomatik werden hierdurch in längst überwundene Versorgungsstrukturen zurückgeworfen. Die PPP-RL mit ihrem enormen Bürokratieaufwand führt dazu, dass die Versorgung psychiatrischer und psychosomatischer Patient:innen gefährdet und nicht etwa verbessert wird. (weitere Informationen unter www.klinik-fakten.de)

Leer gefegter Arbeitsmarkt macht Einhaltung unmöglich

Erschwerend hinzu kommt, dass die Einhaltung der Personalvorgaben nahezu unmöglich ist. Die Vorgaben für die Pflegekräfte sind im Verhältnis zu den Therapeut:innen und Psycholog:innen zu hoch. Die Kliniken müssten mehr Pflegepersonal einstellen – das für die leitliniengerechte Behandlung aber nicht benötigt wird und auf dem Arbeitsmarkt auch gar nicht vorhanden ist. Erfahrene Psychotherapeut:innen müssten entlassen und stattdessen Pflegekräfte im stark umkämpften Arbeitsmarkt gewonnen werden. Im Ergebnis wären die Kliniken gezwungen, ihre Behandlungsplätze zu reduzieren - was sich jedoch nicht mit der Pflichtversorgung in Einklang bringen lässt und Kliniken dazu bringt, entweder gegen die Pflichtversorgung oder die Vorgaben der PPP-RL zu verstoßen.

Das Psychiatrie-Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) 2019/2020 belegte mit konkreten Zahlen, wie problematisch die PPP-RL von psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern und Fachabteilungen mehrheitlich gesehen wird. Bereits heute haben drei Viertel aller psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen Probleme, offene Stellen im Pflegedienst zu besetzen, im Durchschnitt sind hier rund zehn Stellen unbesetzt. (vgl. Psych-Barometer 2019/2020).

Sanktionen drohen

Wenn die Kliniken die Mindestvorgaben nicht einhalten können, drohen ab 2022 Sanktionen. Für die betroffenen Einrichtungen  würde dies ein Vergütungswegfall in drei bis vierfacher Höhe der entsprechenden Bruttopersonalkosten bedeuten.

Wenig günstig für die Sammlung von aussagekräftigen Erfahrungswerten in den Kliniken war auch der bisherige Geltungszeitraum (2020/2021) der PPP-RL aufgrund der zurückliegenden Pandemiemonate: Nachweislich ging die Belegung in der Psychiatrie/Psychosomatik durch Corona massiv zurück (vgl. Psych Barometer 2020/21).

Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) hat erkannt, dass die Richtlinie nachgebessert werden muss, bevor es ab nächstem Jahr zu Sanktionen kommt und hat an den G-BA appelliert, die Richtlinie zu überarbeiten. Der BDPK hatte in einer Pressemitteilung Ende Juni 2021 die Kritik der GMK bekräftigt und seine Forderungen einer Anpassung der der Richtlinie nochmals wiederholt. (vgl. Pressemitteilung des BDPK e.V. vom 29. Juni 2021)

„Die Richtlinie funktioniert nicht so wie angedacht und sollte noch einmal nachgebessert werden,“ konstatierte Anfang Juli auch die CSU-Politikerin Emmi Zeulner (CSU) und Mitglied des Gesundheitsausschusses während der Diskussionsveranstaltung „Quo Vadis Psychiatrie?“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). (vgl. Aufzeichnung „Quo Vadis Psychiatrie?“, 5. Juli 2021)

Mit der wiederholten faktenbasierten und stichhaltigen Kritik an der PPP-RL in den zurückliegenden Monaten durch eine breite Fachöffentlichkeit und aus Kreisen der Politik bleibt zu hoffen, dass der G-BA mit einer Anpassung der Richtlinie reagieren wird.