MVZ: Schaden (private) Investitionen der Gesundheitsversorgung?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will Finanzinvestoren den Kauf von Arztpraxen verbieten. Laut aktuellen Medienberichten soll im ersten Quartal 2023 ein Gesetzentwurf vorlegt werden, der „den Einstieg dieser Heuschrecken in Arztpraxen“ unterbindet. Der Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren (BBMV) übt an dem Vorhaben scharfe Kritik und wirft Lauterbach „puren Populismus“ vor.
Die Vorsitzende des BBMV, Sibylle Stauch-Eckmann meint zu dem Vorhaben: „Für die vom Gesundheitsminister geäußerte Vorwürfe gibt es keinerlei Belege, das hat auch ein Gutachten im Auftrag des Gesundheitsministeriums bestätigt. Karl Lauterbach ist als der Minister gestartet, der evidenzbasierte Politik versprochen hat - seine Aussagen lassen diesen Anspruch vermissen. Es ist purer Populismus.“ Das vollständige Statement des BBMV können Sie hier lesen.
Der Vorschlag des Bundesgesundheitsministers steht offenbar unter dem Eindruck einer Kampagne, die die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) im Juni 2022 gestartet hatte. Mit einem Rechtsgutachten sollte dazu beigetragen werden, „den Einfluss von Kapitalinvestoren aus dem In- und Ausland auf unser solidarisches Gesundheitssystem wirksam zu begrenzen.“ Dies sei notwendig, so die KVB, weil „sich die Gewinnmaximierungsziele von Finanzinvestoren im Gesundheitswesen und das Wohl der Patienten im Grunde widerstreben.“ Zudem sei durch private Investoren die verfassungsrechtlich garantierte ärztliche Therapiefreiheit bedroht.
Unser Faktencheck zeigt: Die geforderte Begrenzung privater Investitionen würde der Gesundheitsversorgung vor allem schaden, statt ihr zu nutzen. Das vom Bundesgesundheitsminister und der KVB gesehene Bedrohungsszenario existiert nicht und die Argumentation ist polemisch.
Tatsache ist:
- Von Investoren geführte MVZ erhalten die gleiche Vergütung wie die anderer Eigentümer. Sie bekommen also keine höheren Honorare und schaden somit auch nicht den Patienten oder dem solidarischen Gesundheitssystem.
- Die Behauptung, dass in von Kapitalgesellschaften betriebenen MVZ die Rendite oft wichtiger sei als die Gesundheit der Patienten ist durch nichts belegt. Im Gegenteil: Ein im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) erstelltes und im Dezember 2020 veröffentlichtes Rechtsgutachten der Professoren Andreas Ladurner, Ute Walter und Beate Jochimsen kommt zu dem Ergebnis: Eine negative Beeinflussung der Versorgungsqualität von MVZ lässt sich anhand einzelner Trägergruppen nicht feststellen.
- Die KVB beruft sich bei ihren Vorwürfen auf ein im April 2022 vorgelegtes, von ihr beauftragtes Gutachten des IGES-Instituts. Widerlegt wurden die Vorwürfe unter anderem in einer ausführlichen Stellungnahme vom Bundesverband Medizinischer Versorgungszentren (BMVZ). Danach liefert die IGES-Studie keinerlei Belege für qualitative Unterschiede oder für unterschiedlich hohe bzw. unberechtigte Honoraranforderungen von Zentren in Ärztehand und solchen in anderer Trägerschaft.
- Jeweils 42 Prozent der MVZ in Deutschland wurden von Vertragsärzten und von Krankenhäusern gegründet. Die restlichen 16 Prozent werden von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen, von gemeinnützigen Trägern sowie von Kommunen geführt. Wieviele davon ohne Gewinnerzielungsabsicht arbeiten, ist statistisch nicht erfasst – sicherlich werden aber fast alle MVZ auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet sein.
- Entscheidend ist nicht die Frage nach dem Eigentümer, sondern: Wie kann die Qualität der Versorgung unabhängig von der Trägerschaft grundsätzlich kontrolliert und sichergestellt werden? Es wäre besser, wenn sich die KV auf die Beantwortung dieser Frage konzentrieren würde.
- Viele Versorgungsstrukturen in Deutschland, auch in stationären Sektor, wären ohne „privates Kapital“ längst zusammengebrochen. Wenn privatwirtschaftliches Engagement behindert wird – wie jetzt im Rechtsgutachten vorgeschlagen – wird sich die medizinische Versorgung besonders im ländlichen Bereich weiter verschlechtern.
- MVZ verbessern – unabhängig von ihrer Trägerschaft – die Möglichkeiten der ärztlichen Berufsausübung, weil junge Ärzt:innen auch ohne vorhandenes Eigenkapital in ihrem Beruf arbeiten können.
- Der Anteil der MVZ an der Gesamtversorgung ist nicht so groß, dass andere Versorgungsformen oder gar die Therapiefreiheit bedroht wären. Aktuell gibt es in Deutschland rund 170.000 niedergelassene Ärzt:innen, in MVZ arbeiten knapp 25.000, also rund 15 Prozent.
Weitere Background-Informationen hierzu
Lesen Sie hierzu auch die Kommentare und Stellungnahmen von BVMZ-Geschäftsführerin Susanne Müller in